Full text: Lesebuch für die evangelischen Volksschulen Württembergs

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scheu der Oder und Elbe Alles sv verwüstet wäre, daß daselbst weder Hund noch 
Katze, geschweige Menschen und Pferde sich aufhalten könnten." 
Und wie ist es denn in jener schweren Zeit unserem Württembergerland gegangen? 
Das hat leider auch seinen redlichen Antheil an dem damals in Deutschland herr¬ 
schenden Elend getragen. Es übersteigt allen Glauben, wenn man die Beispiele von 
Grausamkeit und Wnth liest, die an den armen Württembergern verübt wurden. 
Die erste Hälfte der Kriegsjahre war für Württemberg die erträglichere Zeit. 
Freilich wurde das Land auch damals wiederholt von feindlichen Truppen heimge, 
sucht, und im Jahr 1620 wurden unter ihrem Schutze katholische Prälaten und 
Mönche wieder in das Land eingeführt. Auch führte die Noth zu Verschlechterung 
der Münze, z. B. die Hirschgulden waren kaum zehn Kreuzer werth. Bald nach 
der Mitte des laugen Kriegs geschah die Nördlinger Schlacht, auch 4000 Württem- 
berger sielen dort. Nun war es, als wäre ein Geist der Hölle ausgegangen, der 
die kaiserlichen Truppen fortriß. Da kamen ausgesuchte Qualen, mehr als viehisches 
Wüthen; und kaum die Sorge um die eigene Erhaltung konnte die Soldaten dahin 
bringe», einer kleinen Zahl von Bürgern ihr armes Leben zu lassen, damit diese 
ihnen frohnen könnten. 
Auf die Nachricht von jener Schlacht floh Herzog Eberhard nach Straßburg. 
Kaiser Ferdinand kam nach Stuttgart und übergab einer Statthalterschaft das Re¬ 
giment. Da kam nun eine traurige Zeit. Es ist vielleicht in Schwaben fast keine 
auch noch so kleine Gemeinde, der nicht aus dieser Zeit ein Denkmal übrig geblieben 
wäre, wenigstens in den Todtenregistern. Das platte Land war hauptsächlich der 
Schauplatz der Greuel und der Zerstörung; aber auch die ummauerten Orte entgingen 
nicht immer demselben Schicksal. Waiblingen, das mit dem dazu gehörigen Amt 
2350 Bürger gezählt hatte, behielt nach der ersten Verheerung, die auf die Nörd¬ 
linger Schlacht folgte, nur 145. Ein Theil der Weiber und Kinder ertrank auf der 
Flucht in der Rems, an den übrigen -kühlten die Soldaten ihre Wuth. In Nürtingen 
lebte damals noch die siebzigjährige Wittwe des Herzogs Ludwig. Die Stadt, wo¬ 
hin sich die Leute aus der Umgegend geflüchtet hatten, ward erobert, das Schloß 
geplündert; an den Haaren schleppten die Kroaten die greise Herzogin umher, und 
nur mit Mühe entriß sie der Oberst Grüne ihren Händen und der äußersten Mi߬ 
handlung. Unter den nach Nürtingen entflohenen Geistlichen befand sich Georg 
Wölflin, Pfarrer von Owen. Als die Stadt erstürmt war, floh er in den Fürften- 
stand, die sogenannte „Schloßkirche". Ein Spanier traf ihn, wie er sich, die Bibel in 
der Hand, auf die letzte Stunde bereitete. Mit solcher Wuth durchbohrte ihn der wilde 
Soldat, daß das Schwert auch die Bibel noch durchdrang und die Stelle L Timoth. 4,7. 
(Ich habe einen guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glau¬ 
ben gehalten) mit seinem Blut gezeichnet ward. 
Die Kaiserlichen nahmen einen festen Platz nach dem andern, der Kaiser ver¬ 
schenkte Herrschaften, Städte und Aemter in Württemberg an seine Getreuen. Kost¬ 
barkeiten, Geräthschaftcn, Kunftsachen, Bibliotheken, Archive wurden in langen Wa- 
genzügen aus dem Lande nach Innsbruck, Wien und Mnncheu geschickt, in den 
herzoglichen Schlössern und Gärten wurden muthwillige Zerstörungen angerichtet. 
In den Dörfern wurde fast Alles vernichtet, die Wohnhäufer verbrannt oder 
doch abgedeckt, die Brunnen verschüttet, selbst die Kirchen ihres Schmucks, ihrer 
Kanzeln und Altäre beraubt oder auch gänzlich zerstört, das Haus- und Fcldgerathe, 
so wie die Vorräthe von Wein und Früchten verderbt, das Vieh weggesühri, Reben
	        
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