Full text: Lesebuch für die evangelischen Volksschulen Württembergs

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darunter: „Was thust du für mich?" — Nach einiger Zeit fiel dies 
der Wirthin auf, die davon so erschüttert wurde, daß sie in Thränen 
ausbrach. Sie rief ihren Mann, und er ward auch sehr ergriffen. 
Beide sanken auf ihre Kniee. Nach einer Weile erst konnten sie aus¬ 
rufen: „Gott segne den, der uns dies zum Heile schrieb. Was wir 
nie gethan haben, wollen wir nun thun!" Und nun gaben sie sich 
knieend die Hände darauf, daß sie von nun an dem Herrn in rechter 
Treue nachfolgen wollten. Ihr Hauswesen und Leben wurde von 
nun an ein ganz anderes, und an der gesegneten Stelle knieten sie 
täglich nieder. 
Nach etlichen Jahren reiste der Graf wieder durch jene Gegend, 
und richtete es ein, daß er vor demselben Hause abstieg. Gegen sein 
Erwarten ward er schon durchs Fenster erkannt, und Mann und Frau 
eilten ihm entgegen, bewillkommten ihn mit Thränen des Dankes, 
nannten ihn Freund, Wohlthäter und Bruder. Als er sich dagegen 
unwissend äußerte, führten sie ihn wie im Triumph ins Zimmer vor 
das Crucifix mit der durch einen Glasrahmen wohlerhaltenen Schrift, 
und ohne weiter ein Wort zu sagen, knieten sie im Augenblick rechts 
und links neben ihn hin und dankten dem Heiland so herzlich für 
ihre Seelenrettung, daß, als beide geendigt hatten, auch der Graf, 
der gleich anfangs mit auf seine Kniee gesunken war, von Herzen 
betete und der ewigen Liebe für diese Gnadenerfahrung dankte. 
185. Die württembergische Tabea. 
(t 1730.) 
In der Apostelgeschichte (9, 36 ff.) wird von einer Jüngerin Jesu, 
.'Namens Tabea, erzählt: sie war „voll guter Werke und Almosen, die sie 
that". Württemberg hat auch seine Tabea; so hat man nemlich, mit 
geringer Versetzung der Buchstaben in ihrem Vornamen, die durch ihre 
ungeheuchelte und ausgezeichnete Frömmigkeit bekannte Be ata Sturm in 
Stuttgart genannt, derer: Leben Konrad Rieger beschrieben hat. 
Ihr Vater war ein angesehener Beamter zu Stuttgart, im Wort und 
in den Wegen Gottes wohl erfahren. Ihre Eltern ermahnten sie nicht gar 
viel mit Worten, aber deren Wandel war eine beständige Ermahnung; wie 
denn auch bei Erziehung der Kinder^ mehr auf Erempel als viele Worte und 
Vorstellungen zu halten ist. 
Obgleich sie als Kind eine Zeit lang ganz blind war und immer blöde 
Augen behielt, las sie doch die heilige Schrift etliche dreißig Mal durch und 
hörte das Wort fieißig. So kam sie mehr und mehr zu einem tief gegrün¬ 
deten evangelischen Glauben, dessen Gesundheit und Kraft sich in allerlei 
Werken der Liebe kund gab.
	        
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