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um dort M Maurern, Zimmerleuten, Wagnern, Schmiden und
Glasern die Lehrjahre auszuhalten, und nach ihrer. Rückkehr in die
Heimat ihre erworbenen Geschicklichkeiten auszuüben und zu ver-
breiten. Nach einigen Jahren sah man statt der elenden Wohnungen,
die -zum Theil in die Bergwände gegraben waren, bequeme Häuschen,
wobei tiefe Keller angelegt waren, um Kartoffeln und andere Vorräthe
vor Frost zu schützen. Auf die Verbesserung des Ackerbaues richtete
Oberlin gleiche Sorgfalt. Er lleß Samenkartoffeln aus fremden Ge¬
genden kommen, um die ausgearteten einheimischen zu ersetzen. Ebenso
beförderte er den Flachsbau, indem er Leinsamen von der Ostsee her¬
beischaffte; den bis daher unbekannten Kleebau führte er ein, und
zum Anbau verschiedener nährender und arzneilicher Pflanzen gab er
Anweisung und Beispiel. „Laßt nichts verloren gehen", war einer
seiner Lieblingssprüche. Er gab seinen Pfarrkindern Anleitung, aus
Blättern, Binsen, Moos und Tannennadeln Dünger zu bereiten, und
gewährte kleinen Kindern Preise, wenn sie Lumpen und Lederstücke
zu demselben Zweck benutzten. Vorzüglich aber wirkte er durch sein
Beispiel. Er verwandelte einen verödeten Garten, der zum Pfarr¬
haus gehörte, in eine Baumschule, einen andern in eine Obstanlage,
und als diese Pflanzungen unter seiner sorgfältigen Pflege gediehen,
wurde so viel Nacheiferung erweckt, daß bald alle Häuser von einem
Kranze von Obstbäumen und wohlgepflegten Gärten umgeben waren.
Der glückliche Erfolg dieser Unternehmungen machte die Steinthaler
empfänglich für umfassendere Entwürfe. Oberlin veranlaßte die Bauern,
Stallfütterung einzuführen und die weniger einträglichen Weiden in
Ackerland zu verwandeln, wodurch sie selbst in schlechten Jahren hin¬
reichend Getreide erzeugten. So große Schwierigkeiten der steinige
Boden entgegensetzte, auch diese Bemühungen hatten glücklichen Erfolg,
und im elften Jahr seines Pfarramtes stiftete er einen Verein für
Ackerbau, welcher mit auswärtigen Vereinen der Art in'Verbindung
trat und im Stande war, jährlich Preise an fleißige Obstpflanzer
zu vertheilen.
Auch sür die Schulen war Oberlin so thätig, daß das Stein¬
thal sich auch in diesem Punkte bald im ganzen Elsaß auszeichnete.
Die Kinder lernten mit Lust, weil sie sahen, daß nicht nur ihr Lehrer,
sondern auch ihr Pfarrer und ihre Eltern ihre Freude daran hatten
und mit der größten Anstrengung alles zum Unterricht Nöthige herbei¬
schafften. Ganz besonders merkwürdig aber ist, daß im Steinthale
durch Oberlin die erste Kleinkinderj/chstile in ganz Europa entstand.
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