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des Thiedes Kopf mit offnem Nachen, und seine Hörner blieben gewöhnlich daran <
sitzen. Es sahe erschrekklich ans. Die Alles besiegenden Römer wagten eS selten,
und dann nie ungestraft, in unscr^ Vaterland einzudringen und gestehen selbst,
daß die Deutschen ein biederes Volk gewesen, unter beni gute Gewohnheiten und
Sitten mehr galten, als anderswo gute Gesetze. Doch auch sie gehörten zu den
Heiden und beteten anstatt heö Schöpfers das Geschöpf an, indem sie der Sonne,
der Erde und allerlei andern Dingen göttliche Ehre erwiesen. Aber auch für
unser Vaterland schlug nun die Stunde der Erlösung; eö sollten auch hier
Boten des Herrn auftreten und rufen: „Thut Buße, denn das Himmelreich ist
nahe herbeigekommen!" Von England und Irland kamen nämlich Friedens¬
boten herüber nach Deutschland. Um OCX) n. Ehr. kam Kolumban zu den
Baiern und Franken; Gallnö zu den Schweizern; Kilian um 050 n. Ehr.
>zu den Ostfranken; Willibrord um 700 n. Chr. zu den Friesen. Am meisten
aber that für unser Vaterland der Engländer
Winfried Boni fa eins, d. h. Wohlthäter. Er wurde um das Jahr
080 n. Ehr. geboren, und stammte ans einer vornehmen adligen Familie. Schon
in seinem sechsten Jahre brachte ihn sein Vater nach Erester, um die Schule des
dortigen Klosters zu besuchen.' Hier gewann er durch seine Wißbegierde, durch -
beharrlichen Fleiß und durch ein vorzüglich sittliches Betragen die Liebe aller
seiner Lehrer; besonders aber schenkte ihm der Abt des Klosters, Wolfard mit
Namen, wegen seiner kindlichen Frömmigkeit seine Zuneigung. Die Geistlichen
und Mönche zeichneten sich damals in England durch Tugend und Gelehrsamkeit
auS, und wurden daher mit Recht hochgeehrt. Dein jungen Winfried wurde
dieser Stand durch seinen ehrwürdigen Lehrer lieb, und da er früh die Erzählungen >
aus dem Leben solcher frommen Männer, welche ihr Vaterland verlassen hatten,
um den Heiden das Evangelium zu predigen, hört, regt sich auch schon frühzeitig
in ihm der Wunsch, ein Geistlicher zu werden, und dann auch als ein Bote des
Friedens zu den armen Heiden zu gehen. Als er diesen Wunsch seinem Vater,
der den Sohn zu einem weltlichen Amte bestimmt hatte, mittheilt, sucht dieser
anfangs durch liebevolle Vorstellungen und Ermahnungen, daun aber auch durch
ernste Drohungen seinen Sohn von solchen Gesinnungen abzubringen; als er
aber siehet, mit welcher Liebe und Festigkeit er daran hanget, willigt er endlich
ein und schikkt ihn nun auf eine höhere Schule, in das Kloster Nuteell.
Auch hier gewinnt sich Winfried die Liebe des Abtes Winbert und studirt
so eifrig die heilige Schrift, daß bald Mönche aus andern Klöstern herbeikamen,
um sich' dieselbe von ihm erklären zu lassen. Mit frommer Demuth verdeutlichte
ihnen Winfried den Inhalt dcö heiligen Buches, dessen Geist in seinem Herzen-
eine Hcimath gefunden hatte. So ausgerüstet, verläßt er unter frommen Wünschen
seine Ordensbrüder, und mit dem Segen seines Abtes Winbert im Jahre 715
sein Vaterland, und gelangt glükklich nach Friesland. Aber leider war als er
hier ankam, ein verheerender Krieg auögebrochcn, und er mußte in sein Kloster
zurükkgehen, ohne Etwas ausgerichtet zu haben. Doch Gott wollte nur dadurch
prüfen, ob seine Liebe fest und treu sei. Winfried wurde nach Winbertö Tode
zum Abt des Klosters erwählt, aber schon 718 ging er auf einem Umwege über
Rom, um sich vom Papste zu seinem Werke einsegnen zu lassen, abermals nach
Deutschland. Nun lehrte er in Thüringen, Baiern, Fricöland, Hessen und
Sachsen oft in großer Lebensgefahr. Einst auf seinem Zuge durch Hessen trifft
er bei Geismar eine Eiche von ungewöhnlicher Größe, unter der die Heiden
ihrem Donnergotte zu opfern pflegten. Ilm den Heiden zu zeigen, wie ohnmächtig
ihre Götter seien, beschließt Winfried, die Eiche umzuhauen. Nachdem er zu
den versammelten Heiden von dem ewigen allmächtigen Gott, dem Schöpfer des
Himmels und der Erde, und von feinem Sohne, Jesus Christus, gepredigt
hatte, hebt er schweigend seine Art empor, um die Donnereiche zu fällen. Da