465 
Aussaat und Ernte. 
Der Landwirth hat beim Ackerbau zunächst die eigenen Bedürfnisse zu 
berücksichtigen, die Nahrungsmittel für Menschen und Thiere, damit er so 
wenig als möglich Geld ausgeben dürfe für Gewächse, die er selbst auf sei¬ 
nem Boden ohne große Kosten erzeugen kann. In manchen Fällen würde es 
aber doch thöricht sein, Alles selbst erbauen zu wollen, besonders wenn 
man über manche Kleinigkeiten, die man wohlfeil erkaufen kann, das Nö¬ 
thigere und Wichtigere vernachlässigen müßte. Der Landmann würde ferner 
unvernünftig und zu eigenem Schaden handeln, wenn er seinem Boden 
Früchte mit Gewalt abzwänge, zu welchen derselbe durchaus nicht geeignet 
ist. Endlich wird er auch auf solche Erzeugnisse besonders Rücksicht nehmen, 
die am meisten gesucht werden und leicht abzusetzen sind. Er richtet sich daher 
nach den Umständen und Zeitbedürfnisscn, ohne ängstlich an seinen bisherigen 
Gewohnheiten zuhängen. Ucberhaupt darf er nicht gedankenlos nachahmen, 
was^r seinen Vorgänger thun sah, sondern muß selbst prüfen und überlegen. 
Alle Pflanzen entstehen aus Samen, und nur wenige, wie die Kartoffel, 
vermehrt man durch Wurzeln und Setzlinge. Von unvollkommenen 
Samen kann man keine vollkommenen Pflanzen und Früchte 
erwarten; deshalb sind immer die reifsten und besten Körner 
zum Aussäen zu wählen und bis dahin vor dem Verderben zu schützen. 
Wer Unkraut zugleich mit der edleren Frucht in den Acker bringt, erntet 
Unkraut wieder; es muß also der Samen vollkommen gereinigt 
werden. Man säe nur in einen gut zubereiteten Boden; denn in festem, 
klösigem Acker können sich die Keime nicht entwickeln; es geht viel Samen 
unnütz verloren, wenn das Feld schollig ist. Das Säen selbst geschieht mit 
der Hand; es gehört einige Uebung dazu, die Körner gleichmäßig zwwerfen. 
Wie dick oder dünn zu säen ist, hängt hauptsächlich von der Lage und Be¬ 
schaffenheit des Bodens, von der Güte des Samens, seiner stärkern oder 
schwächern Bestaubung und von andern Umständen äst. Viele glauben, einen 
reichen und kräftigen Acker müsse man recht dick besäen, weil er Kraft habe 
viele Pflanzen zu ernähren, dagegen den magern ganz dünn, weil es ihm 
an Nahrung fehle; allein die verständigsten und erfahrensten Landwirthe 
behaupten das Gegentheil; und man wird ihnen beistimmen, wenn man ihre 
Gründe hört. Erhält nämlich ein ergibiges Land zu dichten Samen, so 
finden die Körner, welche fast alle aufgehen, nicht Raum, sich zu bestocken, 
viele Pflänzchen werden unterdrückt, andere lagern sich, und so entsteht 
viel Stroh, aber wenig Frucht. Schwachen, unreinen Boden soll man dicker 
besäen, weil der Samen sich nicht in dem armen Boden bestaubet, jedes 
Korn daselbst nur einen Halm treibt, dadurch aber bei der dünnen Aus¬ 
saat dem Unkraute zu viel Raum gelassen würde. — Wie gut es sei, mit 
Samen zu wechseln, davon kann sich jeder leicht selbst überzeugen. Der 
Landmann sucht aber lieber Samen aus solchen Gegenden zu erhalten, wo 
das Land leichter und magerer ist als das seinige. 
Rendschm. Leseb. f. ob. Kl. 11. Aufl. 
30
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.