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J. Der Gewerbestand und die Ausbildung des Gewerbetreibenden.
hielt sein gewaltiges Streitroß an, beschaute sich den Gerber mit Ver—
wunderung und auch mit Bedauern; denn er hielt ihn für einen be—
dürftigen Mann, der keinen Augenblick die Arbeit auszusetzen vermöge.
Darum enthielt er sich auch nicht, den Meister also anzureden: „Ei, ei,
guter Meister, wie laßt Ihr's Euch sauer werden! Was für ein ange—
nehmes Leben hätte doch, wer hundert Mark Silber Einkünfte besäß und
eine hübsche Frau dazu!“ „Gnädiger Herr,“ entgegnete freimütig Meister
Ohnewald, „Gott Lob und Dant, ich habe beides.“
Dem Grafen schien die Antwort ganz wunderlich, und er sprach mit
Lächeln: „So sei's Euch gegönnt, Meister, und stracks, wenn ich abge—
stiegen in der Herberge, komme ich her, die Bescherung mir anzusehen.“
Er hatte es gesprochen, ließ durch einen Druck der Schenkel sein Roß
auffahren, und es trabte dann rasch zum „Wilden Mann“, wo sein
Quartier ihm sicher war, so oft er nach Basel kam. — Der Gerber in—
dessen war freudevoll ob des verheißenen Zuspruchs, und weil die Zeit
zum Imbisse heranrückte, so hieß er die Gesellen sich sputen, allerlei Back—
werk herbeizuschaffen und der Meisterin sonst an die Hand zu gehen, auf daß
ein ehrliches Essen zustande komme, dieweil der Graf wohl gern mit
einer Mahlzeit vorlieb nehmen werde. Die Lehrjungen wurden gewiesen,
in der Küche zu helfen. Der Meister aber stieg eilends empor in das
Haus, seine muntere Frau in Atem zu setzen für den unerwarteten Gast.
2. Als eben alles fertig geworden zum Empfange, kam der Graf
nach seinem Versprechen herangeschritten, begleitet nur von einem seiner
Edelknechte. Meister Ohnewald aber ging dem Grafen zum Empfange
bis an die Haustür ehrerbietig entgegen und bat ihn, nach einem so
scharfen Ritt einen Imbiß nicht zu verschmähen.
Schweigend und achtsam schritt der ritterliche Held durch das Vor—
gemach. Er hatte sich nicht die Zeit genommen, seine Rüstung auszuziehen,
noch sein Schwert und seine Sporen abzulegen. Jetzt fand er jedes
Ding in der Bürgerwohnung seiner Aufmerksamkeit in überraschendem
Maße wert. Aber zumeist doch verwunderte ihn in ihrer Jugendblüte
Kunigunde, die Hausfrau, die bescheidentlich aufstand, sobald er eintrat,
alsdann sich verneigte mit aller Zucht einer Rittersfrau.
„Wahrlich, wahrlich, Meister,“ begann endlich da der Graf, an der
unteren Seite des Tisches stehend, „Ihr könntet Edelleute, Freiherren und
Grafen beschämen durch solcherlei Geräte, und was Eure holdselige Haus—
frau angeht, so ist sie Edelfrauen an Zucht und Schmuckespracht gleich,“
und der schamhaft errötenden Hausfrau sich zuwendend, sprach er mit
gütevoller Höflichkeit: „Es sei mir gegbnnt, Euch, liebenswürdige Frau,
mit jener zu vergleichen, die der weise Salomo preiset, und wohl dem
Manne, dem ein solches Kleinod zu teil ward! Wenn Ihr einen Tanz für
diese Fastnacht übrig habet, so gebet ihn mir; ich werde Euch meine
Königin nennen, und alles im Saale soll Euch huldigen.“ Die Hausfrau
verneigte sich ehrbarlich und erwiderte die huldvolle Rede mit geziemender
Schüchternheit.
Man setzte sich endlich zum Speisen nieder, und im Nu waren die
schmackhaftesten Gerichte von den drei gleich Pagen aufgeputzten Lehrknaben