Full text: Deutschland, Italien, Griechenland, (die europäische Türkei, das Königreich Griechenland) und die Ionischen Inseln (Theil 2)

S86 
A. Europa. 
nen kleinen Staaten, so wurde das Gefühl des gemeinsamen Ur¬ 
sprungs doch durch zwei wichtige Einrichtungen erhalten. Die erste, 
das Gericht der Amph i ktyonen, ursprünglich eine Bundesver¬ 
sammlung thessalischer Stämme, ward, nachdem die Dorier den 
Peloponnes erobert, nach und nach die Bundesversammlung aller 
hellenischen Stämme, wovon jeder Abgeordnete zu dieser Ver¬ 
sammlung sendete, welche zweimal im Jahre, theils zu Delphi, dem 
Sitz des heilig geachteten Orakels, theils zu Thcrmopylä, statt¬ 
fand. Der Hauptzweck dieser Versammlung war in älterer Zeit 
wohl religiöser Art gewesen, später diente er vorzüglich dazu, die 
Streitigkeiten unter den Bundesvölkern beizulegen, die Kleineren 
vor dem Uebergewicht der Größeren zu schützen und dem Empor¬ 
kommen der Tyrannei, d. h. der Herrschergewalt eines Einzelnen, 
bei allen Bundesstaaten zu verhindern. Die zweite gemeinsame 
Einrichtung aller griechischen Stämme waren die öffentlichen Spiele, 
eine uralte Feier, worunter die olympischen, von Jphitus ums 
Jahr 888 vor Christo, erneuert, bei weitem die berühmtesten wa¬ 
ren. Während ihrer Feier wurde ein allgemeiner Waffenstillstand 
aller daran theilnehmenden Stämme beobachtet. Wie überall in 
der Geschichte, so war auch für Griechenland der Zeitpunkt der 
erwachenden Freiheit zugleich der, wo die raschesten Schritte zu 
höherer Cultur, zu Künsten, Wissenschaften und Handel gemacht 
wurden. Am schönsten und zuerst blühten die Pflanzstädte Klein¬ 
asiens auf. Hier, unter dem glücklichen Klima Ioniens, hatte schon 
Homer gedichtet und war Hesiodus, der Sänger der Werke und 
Tage, eines didaktischen Gedichts, und einer Théogonie oder Dich¬ 
tung über die Göttergeschlechter, geboren, brachte aber sein Leben 
zu Askra in Böotien zu. Auf den nahgelegenen Inseln blühte die 
Dichtkunst und wurde durch die lyrischen Gesänge des A l c ä u s und 
der S a p p h o verherrlicht. In Ionien lebten die ersten Erforscher 
der Natur, wie Thales aus Milet, und die wegen ihrer bürger¬ 
lichen Weisheit vorzugsweise benannten 7 Weisen, zu welchen auch 
Solon, der Gesetzgeber Athens, gehörte. Die Ionier rissen bald 
den Handel an sich, welchen früher Phönizier und Kurier in diesen 
Gegenden geführt; sie bevölkerten die Küsten des schwarzen Meeres 
mit 80 neuen Pflanzstädten, und ihre Schiffe gingen nach Gallien 
und Spanien, wo sie ebenfalls Niederlassungen, die berühmteste 
ist Massilia, das heutige Marseille, gründeten. Auch das Mutter¬ 
land kam nach langen Stürmen und bürgerlichen Unruhen endlich 
zu einem bleibendern Zustande, in welchem die Anfänge der Künste 
und des Handels gediehen. Korinth zeigte die ersten Prachtwerke 
der Baukunst, und Athen erhob sich durch Handel und Seemacht. 
Aus den vielen Verbindungen kleinerer, durch Stammverwandt¬ 
schaft oder Lage an einander geknüpfter Städte erhoben sich allmäh- 
lig einige mächtigere, wie Sparta, Athen, Theben u. a., welche 
nun Häupter eben so vieler Bündnisse und bald wahre Beherrsche-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.