9. Die Oberrheinische Tiefebene und ihre Randgebirge.
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Rheinland, als Anfangspunkt der Dampfschiffahrt ein wichtiger Umladeplatz, der
erste Handelsort der oberen Rheinebene und der bevölkertste Ort des Großherzog-
tnms Baden, — die günstige Lage beweist das schnelle Aufblühen des gegenüber-
liegenden Ludwigshafen.
Wenige Stunden seitwärts am Ausgange des Neckartales aus dem Gebirge liegt
die frühere Residenz der Pfalzgrafen bei Rhein, in reichster üppigster Natur, in einer
Gegend von ergreifendem, von großem und zugleich anmutigem Charakter, Heidel-
berg, die „ländlich (d.h. landschaftlich) schönste Stadt Deutschlands", die alle Rei-
senden bezaubert und die noch keiner verlassen hat ohne den Stachel der Sehnsucht,
die Scheffel mit den Worten ausspricht: „Auch mir stehst du geschrieben ins Herz
gleich einer Braut". „Die Lage der Stadt hat etwas Ideales, das mau sich erst recht
deutlich machen kann, wenn man mit der Landschaftsmalerei bekannt ist, und wenn
man weiß, was denkende Künstler von der Natur genommen und in die Natur hinein-
gelegt haben." (Goethe.) Alles verbindet sich, um sie zu einer der angenehmsten
und zugleich merkwürdigsten Städte zu machen: mit der herrlichen Gegend, die
durch eine äußerst seltene Vereinigung von Berg, Wasser und Ebene bevorzugt ist,
das milde Klima, das uns namentlich aus den Geläuden der Weinrebe ringsum
anhaucht; die Poesie des Studentenlebens, die sich trotz der durch den gewaltigen
Zusluß von Fremden erfolgten Vergrößerung der Stadt an diesem alten Musensitze
immer noch erhalten hat; endlich die prachtvollen Trümmer des Schlosses, vor der
französischen Barbarei der schönste Fürstensitz Deutschlands, noch heute an Reichtum
und Pracht der Architektur von keinem anderen erreicht, jetzt als Ruiue die schönste,
umfangreichste und fast am herrlichsten gelegene unter allen Burgtrümmern, noch
immer ein Stolz Deutschlands, die „deutsche Alhambra". Und oben im Grünen
steht das Bild eines Wanderers, der einst alle die Herrlichkeit mit vollen Zügen ein-
gesogen und mit srischem Liede in die Welt gesungen hat: I. V. v. Scheffel blickt
hernieder auf Alt-Heidelberg, die feine.
Aus den Beispielen erhellt bereits, daß das Hauptgewicht stromnaher Städte
auf das linke Ufer fällt. Kein Wunder, denn das linke Ufer ist höher, anmutiger,
bewohnbarer. Es ist weit weniger Überschwemmungen und Versumpfungen aus-
gesetzt uud leidet, da es im Wiud- und Regenschatten des Wasgenwaldes liegt, weniger
uuter den kalten Rheinnebeln und Reifsrösten als das rechte, das bis fast an die Berg-
straße aus einer tieferen Niederung besteht und Wald-, Schilf- und Sumpfstriche
des Stromes enthält, wohl auch im Rufe regnerischen Klimas steht. Daraus erklärt
sich, besonders in früheren Jahrhunderten, die größere Dichtigkeit der Bevölkerung,
eine größere Zahl von Städten, ein stärkerer Verkehr und ein volleres Leben am
linken Ufer. Für den Landmann der rechten Seite ist die rheinbayrische heute noch
der beneidete und gepriesene „Überrhein". Daß sich das Verhältnis heute zugunsten
des rechten Ufers verschoben hat, liegt an dem kräftigen Aufblühen neuer Städte,
wie Mannhein und Karlsruhe, und an der Verlegung des Verkehrs auf diese Seite;
denn während schon längst eine wichtige rechtsrheinische Verbindung zwischen Frank-
fnrt und Basel bestand, konnte das linke Ufer infolge der politischen Verhältnisse
erst in der neueren Zeit in den durchgehenden Eisenbahnverkehr gezogen werden.
Am unteren Ende der Rheinebene, die im Norden durch den hier mächtig ins
Auge fallenden Taunus, auf dem liuken Rheinufer durch den Hunsrück begrenzt
wird, bilden das Main- und Nahetal den Schluß der Oberrheinischen Tiefebene.
Von Osten her zieht der weite Talbusen des unteren Main heran, und wo dieser bei
einer Breite von 275 in seine braungelben Gewässer in den grünlichen Rhein ergießt,