Full text: Prosa aus Religion, Wissenschaft und Kunst (Band 2, [Schülerband])

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S. An den Karfee Alreandee I. von Rußland. 
Der Obrist Von Grollmann bringt mir die Nachricht, daß die Haupt-Armee eine 
Rückgängige Bewegung machen wird; ich halte mich Verpflichtet Ewr. Kaiserligen Mayestet 
die unvermeidligen nachtheiligen Folgen davon aller untertänigst vor zu stellen: 
1) die gantze Französische Nation tritt unter die Waffen, der Theil so sich für die 
gute Sache geäußert, ist unglücklig 
2) unsre siegreiche Armee wird muthlos 
3) wir gehen durch rückgängige Bewegungen in Gegenden, wo unsre Truppen durch 
Mangel leiden werden; die Einwohner werden durch den Verlust des Letzten, 
was fie noch haben, zur Verzweiflung gebracht 
4) der Kaiser von Frankreich wird sich von seiner Bestürtzung, worin er durch 
unser Vordringen, erholen, und seine Nation wider für sich gewinnen. 
Ewr. Kaiserliche Mähest, danke ich aller untertänigst daß Sie mir eine Okkknsive zu 
beginnen erlaubt haben, ich darff mir alles Guhte davon versprechen, wenn Sie gnädigst 
zu bestimmen geruhen, daß die Oknerals von Winzingerode und von Bülow meiner 
Anforderung genügen müssen; in dieser Verbindung werde ich auf Baris vordringen, ich 
Scheue so wenig Kaiser Napoleon wie seine Marschälle, wenn sie mir entgegentreten. 
Erlauben Ewr. Kaiserlige Mayestedt die Versicherung, daß ich mich glücklig schätzen werde, 
an der Spitze der mir anvertrauten Armee Ewr. Kaiserligen Mayestedt Befehle und 
Wünsche zu erfüllen. 
Merry d. 22. Februar 1814. $ Brücher. 
12. Friedrich Hebbel (1813-1863). 
Quelle: Richard Maria Werner, Friedrich Hebbels Briefe. Nachlese. 2 Bde. Berlin 1900. 
I, S. 354. 
An feine Frau Christine. (Gekürzt.) 
München, d. 22sten Februar 1852. 
Meine teuerste Christine! 
Wenn ich Dir gestern noch hätte schreiben können, so würden die Klagelieder 
Jeremiä um eins vermehrt worden sein. Das war aber, wie Du gleich sehen wirst, 
keine Möglichkeit, und heute werde ich Dir meine Fatalitäten mit epischer Ruhe statt 
mit lyrischer Leidenschaftlichkeit erzählen. 
Du hast gestern abend gegen acht Uhr, als Du Deinem Titele^) sein Nachtmahl 
brachtest, gewiß gedacht: nun sitzt der Nux^) schon ruhig und warm in München, und 
es ist nicht mehr nötig, daß ich ihn noch im Geiste umschwebe! Aber niemals bedurfte 
er seines Genius mehr, denn erst um Mitternacht traf er bei dem heftigstem Schnee¬ 
gestöber und mit einem ansehnlichen Schnupfen in der Blauen Traube ein! Ich hatte 
also zwei ein halb volle Tage und zwei ein halb volle Nächte im Postwagen zugebracht, 
und das ist im Winter keine Kleinigkeit, besonders wenn man nicht gehörig mit Schutz¬ 
mitteln gegen die Kälte versehen ist, und das war ich nicht, da diese durch das bloße 
1) Dein Kinde. 
2) Scherzname Hebbels.
	        
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