der Moral und dem bürgerlichen Leben entgegen. Auch noch in dieser
beschränkten Behandlung gelingen ihr durch verständige Verteilung von
Licht und Schatten manche Lebensbilder recht wohl. Ein paarmal ist
es ihr sogar gelungen, die Satire scharf auszuprägen und komisch
zu verwerten.
Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht gleich ihre erste dramatische
Arbeit, mit der sie ungenannt als junge Frau von 23 Jahren auftrat.
Das Stück heißt: „Die Pietisterei im Fischbein-Rocke oder die Doktor¬
mäßige Frau." Der Handlung nach eine freie Bearbeitung nach dem
Französischen, angewendet aus deutsche Verhältnisse. Ähnlich wio Tartüffe
drängt sich ein Doktor Scheinfromm in eine bürgerliche Familie und
wird erst im äußersten Moment, da Glück und Vermögen der Familie
auf dem Spiele steht, als Betrüger erkannt. Die Handlung ist zwar
mannigfaltig, aber von Anfang nicht bedeutend angelegt; dafür aber
tritt gegen den Schluß eine überraschende Wendung ein, die der deutschen
Bearbeitung allein angehört. Es wird ein Konventikel der Frauen
dargestellt, in dem sie theologische und gelehrt-mystische Streitigkeiten
verhandeln. Denn nicht sowohl mit dem Pietismus in seiner Welt¬
entsagung und Zurückgezogenheit in das Gemüt hat man es zu tun,
auch wird die gewinnsüchtige Scheinheiligkeit und fromme Schaustellung
weniger betont als vielmehr die pietistische Unduldsamkeit, das Gezänk
der verschiednen Sekten, die hochmütige Überhebung der einen über
die andere, die mystisch lächerliche Formensprache ihrer Zeitschriften.
Jenes Frauenkonventikel nun, ganz eingeweiht in das theologische Sekten¬
getriebe, ist bestrebt, einen neuen Verein zu gründen, in dem die Streitig¬
keiten aller übrigen entschieden werden sollen, und bemüht sich, die
nötigen Glaubensartikel dafür zu finden. Sie sangen mit der Wieder¬
geburt an. Diese ist nach dem Ausdruck der einen Dame „das süße
Quellwasser des Herzens, welches aus der Sophia urständet und das
himmlische Wesen gebierst". Allein damit sind die andern nicht ein¬
verstanden, vielmehr sei sie „die Erbohrenwerdung der himmlischen Wesen¬
heit aus der Selbstheit der animalischen Seele in dem Zentro des
irdischen Menschen und winde sich einwärts wie ein Rad". Neue Zwie¬
tracht; die beiden Meinungsunterschiede führen bereits zu sehr persönlicher
Aussprache. Da taucht eine dritte Erklärung auf, die die Streitenden
versöhnen soll. Es sei die Wiedergeburt: „Die llrständung des wahren
Bildnisses der edlen Perle, die aus dem magischen Seelenfeuer geboren
und in den ewigen Sabbat eingeführt wird. Die himmlische Tinktur,