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Die Ereignisse von 1870 bis 1883.
Trochu, ermutigte aber den immer revolutionslüsternen Pariser Pöbel zu
einem Versuche. Am 4. September zog ein Schwärm den Nationalgarden
nach, welche Trochu nach dem Palais Bourbon, wo der Gesetzgebende
Körper (Deputierten-Kammer) seine Sitzungen hielt, führte. „Absetzung!
Republik!" schrie der Schwärm; die vor dem Palais aufgestellten Linien-
trnppen fraternisierten mit den Schreiern, die sich in das Palais ein-
drängten, den Gesetzgebenden Körper verscheuchten und von da gleich einer
Lawine anwachsend dem Stadthause zueilten, wo der Advokat Gambetta,
der Abgeordnete von Marseille, der feurigste Redner und heftigste Feind
jeder Monarchie, die Republik proklamierte. Nun bacchantischer Jubel
in den Straßen; die erschreckte und verlassene Kaiserin entfloh nach
England, wie 22 Jahre früher König Louis Philipp, uab wie damals
wurde im Stadthause sogleich eine Regierung eingesetzt, die sich „Regie-
rung der nationalen Verteidigung" nannte. Sie bestand aus
Trochu als Präsidenten, den Advokaten I. Favre, Gambetta, Cremieux,
Picard, I. Simon als Ministern, Pelletan, Ferry, Glais-Bizoin, Arago,
Garnier-Pagös und Rochefort als Ministem ohne Portefeuille; als
Minister für den Krieg funktionierte General Leflö, Admiral Fourtchon
für die Marine, SDorian für öffentliche Arbeiten, Magnin für Ackerbau
und Handel. Diese Regierung wurde von Frankreich angenommen wie
1848; sie erließ flammende Proklamationen, erklärte, daß Frankreich zu
einem Friedensschlüsse bereit sei, aber nur zu einem ehrenvollen, daß es
„keinen Zoll von seinem Gebiete und keinen Stein von seinen Festungen"
abtreten werde. Daher führten die Unterhandlungen zwischen I. Favre
und Bismarck (zu Ferneres 19. und 20. September) zu keinem Resultate,
da Bismarck rund erklärte, daß Deutschland sich nicht mit Geld abfinden
lasse. Der alte Thiers hatte sich unterdessen zu einer Rundreise nach
London, Turin, Wien und Petersburg aufgemacht, fand überall ehren¬
volle und freundliche Aufnahme, aber nirgends die erbetene Hilfe für
Frankreich, das entweder einen Frieden erkämpfen oder sich diktieren lassen
mußte, wie es ihm 1814 und 1815 begegnet war.
Aortsetzung des Kriegs (2. September 1870 bis 28. Januar 1871).
Sogleich nach der Schlacht bei Sedan marschierten die deutschen
Armeen gegen Paris. Die Regierung der nationalen Verteidigung hatte
die Stadt gegen alle Erwartung rasch verproviantiert, hatte alle Deutschen
aus Paris und Frankreich verwiesen, und während die meisten reichen
Familien Paris verließen, war das zahlreiche Landvolk der Umgegend
von Paris mit seiner beweglichen Habe nach der Hauptstadt gezogen. Um
die Mitte Septembers umschlossen die Deutschen die Stadt im weiten Bogen,
denn ein Sturm konnte auf die durch Wälle, Schanzen und detachierte