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107. 
Die Wellingtonia, 
der Mammuthbaum QbcrcaNfornien's. 
Vvn B. Seemann. 
Bonplandia 6. Jahrgang. Hannover, October 1853. Nr. 19. (Gekürzt.) 
Als beim Friedensschlüsse des mexikanischen Krieges Ober- 
californien den Vereinigten Staaten fern Nordamerika abgetreten 
war, verbreitete sich eine Kunde, die, wie durch Zanberschlag, ein¬ 
same Urwälder in lebhafte Bergwerksgegenden verwandelte. Das 
neu erlangte Land, so hieß es, sirotze von Gold und sei das so 
lange gesuchte Eldorado. Abenteurer aus allen Theilen der Welt 
durchzogen bald ganz Californie», und manche Thäler und Schluchten, 
niemals vom Fuße des Weißen betreten, wurden in der Hoffnung 
besucht, dort eine ergiebige Goldernte zu sinden. Schilderungen 
der wunderbarsten Entdeckungen füllten nun jede Zeitung, die 
freilich sich in manchen Fällen als erdichtet ergaben, in anderen je¬ 
doch den schlagendsten Beweis lieferten: nüchterne Thatsachen über¬ 
treffen oft die kühnsten Phantasiegemälde. Doch wie so oft, ward 
Dichtung mit Wahrheit, Wahrheit mit Dichtung verwechselt. Unter 
den Nachrichten, welche letzteres Schicksal traf, war die, daß ein 
kühner Calisornier, der weiter in die Sierra Nevada, gegen die 
Quellen der Stanislaus- und San-Antonioflüffe zu gedrungen 
war, einen Wald angetroffen habe, dessen Bäume die höchsten Ge¬ 
bäude der Erde wenn nicht geradezu überragten, doch an Höhe 
mit ihnen um den Rang stritten. So wenig wurde dies jedoch 
geglaubt, daß selbst der Name des Entdeckers unbekannt ist, wenn 
wir nicht den des I. W. Wooster annehmen, welchen uns eine 
kalifornische Überlieferung bezeichnet, die dadurch eine gewisse Be¬ 
stätigung erhält, daß an der Rinde eines jetzt vom Volke 'Herkules' 
genannten Baumes die Inschrift 'I. M. Wooster 1850' sich vor- 
sindet. Bald nachher ward dieser merkwürdige Ort, der fortan 
nach den Niesenbäumen den Namen Mammnthhain erhielt, von 
Verschiedenen besucht und die Nichtigkeit der verworfenen Nachricht 
über jeden Zweifel erhoben. Fremde von allen Theilen des Landes 
strömten jetzt herbe, und machten den Ort zu einem der besuchtesten 
Californien'ö; schon im Juli 1853 erhob sich daselbst ein Gasthaus, 
so bequem, wie es nur die Natur des Landes zulassen wollte. Um 
etwa dieselbe Zeit besuchte ein englischer Botaniker den Hain und 
sandte Blätter, Zapfen und Proben des Holzeö, so wie eine Skizze 
eines der Niesenbäume nach England an den Naturforscher 
Lindley, welcher darin eine neue Gattung Nadelhölzer zu erkennen 
glaubte und ihr zum Andenken an den Herzog von Wellington 
und in Erwägung des riesenhaften Baues der Bäume den Namen 
^Wellingtonia gigantea' gab — znm großen Verdrufse der Ameri¬ 
kaner, die sie nach dem glorreichen Vater ihrer Republik Washing-
	        
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