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Zugleich wurde für den gesamten Bund das Militärwesen, das Zoll-, Post-
nnd Telegraphenwesen einheitlich geregelt. Zum Bundeskanzler, der den
Vorsitz im Bundesrate führte und deni Könige beratend zur Seite stand, ernannte
der König den Grasen Bismarck. Der Norddeutsche Bund schloß mit den süd¬
deutschen Staaten ein Schutz- und Trutzbunonis, wonach im Falle eines Krieges
die gesamten Streitkräste unter den Oberbefehl des Königs von Preußen gestellt
werden sollten. So wurde durch den Ausschluß Österreichs der Zwiespalt in
der Bundesleitung und die stete Eifersüchtelei zwischen den beiden Großmächten
beseitigt. Das Bündnis mit den süddeutschen Staaten führte die vollständige
Einigung Deutschlands dem Ziele nahe.
e) Fremde Einmischung in die deutschen Angelegenheiten. Vergebens
hatte Napoleon III. versucht, bei den Friedensverhandlungen 1866 eine Ge¬
bietsabtretung für Frankreich zu erlangen. Mißgünstig ans Preußens Wachs¬
tum, versuchte er dann 1867 durch Erwerbung des Großherzogtums Luxem¬
burg Frankreichs Grenzen zu erweitern; aber Preußen widersetzte sich dem
entschieden. Schon damals hielt man den Ausbruch eines Krieges zwischen
Frankreich und Deutschland für unvermeidlich. Die Mißerfolge nach außen
steigerten die Unzufriedenheit des französischen Volkes mit der Regierung
Napoleons, so daß dieser dem Drängen seiner Umgebung (Kaiserin Eugenie,
Marschall, Leboeus) nachgab, durch einen glücklichen Krieg seine Herr¬
schaft zu befestigen und Frankreich die gebietende Stellung in Europa auss
neue zu sichern. Als Vorwand diente das Angebot der spanischen Königs¬
krone an den Erbprinzen von Hohenzollern, wodurch sich Frankreich in seiner
Sicherheit gefährdet glaubte. Das durch den französischen Botschafter Benedetti
an König Wilhelm in Ems gestellte Verlangen, „dem Prinzen von Hohen-
Zollern die Annahme der spanischen Krone zu verbieten", wies der König be¬
stimmt zurück. Doch selbst als der Prinz freiwillig aus die Krone verzichtete,
erhob die französische Regierung noch die Forderung, der König solle auch
für die Zukunft dem Prinzen seine Zustimmung zur Anuahme der spanischen
Krone versagen. Da brach der König die Verhandlungen kurz ab. Dies
glaubte der französische Minister des Äußern (der Herzog von Gramont) als
eine Beleidigung Frankreichs betrachten zu müssen, und ein allgemeiner
Entrüstungssturm brach in Paris aus. Es erfolgte am 19. Juli 1870 die
Kriegserklärung Frankreichs, woraus alle deutschen Staaten einmütig zu den
Waffen griffen: Eine gewaltige Begeisterung erfüllte das deutsche Volk; aller¬
orten ertönte Max Schneckenburgers Kriegsgesang: „Es braust ein Ruf wie
Donnerhall", und in Nord und Süd wurde dem Kriegsruf: „Zum Rhein,
Zum Rhein, zum deutschen Rhein!" mit voller Einmütigkeit Folge geleistet.
Diese Einmütigkeit ries eine große Enttäuschung in Frankreich hervor.
I) Ausbruch und Verlauf des Krieges gegen Frankreich. Unter dem
Oberbefehl König Wilhelms und nach dem Plane Moltkes bewegten sich drei
deutsche Armeen dem Rheine zu: Die erste Armee bei Koblenz unter General
Steinmetz, die zweite bei Mainz unter dem Prinzen Friedrich Karl, die dritte
Armee, hauptsächlich aus Süddeutschen bestehend, unter dem Kronprinzen
Friedrich Wilhelm bei Mannheim. Es folgten rasch die Siege bei Weißen-