33
veranlaßte aber auch Beutegier und Lust nach Abenteuern viele, sich den Kreuz¬
heeren anzuschließen. — Der Aufwand für die Ausrüstung und den Unterhalt,
ferner die lange Abwesenheit von der Heimat führte viele Ritter in Verarmung
und zum Verlust ihrer Lehen. Dadurch wurde die Hansmacht und der Einfluß
der Fürsten im Abendlande, besonders in Frankreich, bedeutend vergrößert.
Die Bauern erhielten manche Erleichterung. Da nämlich die Teilnehmer am
Kreuzznge frei wurden, so konnte man die Bauern nur durch Ermäßigung
der Abgaben und Dienste in der Heimat zurückhalten. Viele von diesen er¬
warben auch Anteile der verkauften Lehen, so daß sich allmählich der Stand
der Kleinbauern entwickelte.
Der Handel und Verkehr, besonders der lombardischen Städte (Mai-
land, Verona) und der Seestädte am Mittelländischen Meere (Venedig, Trieft,
Genua), nahmen einen erheblichen Aufschwung. Nene Handelsverbindungen
zwischen Btorgen- und Abendland wurden angeknüpft; denn in den Hasenplätzen
des Morgenlandes ließen sich zahlreiche abendländische Kaufleute nieder. Als
Handelsartikel, die durch die Kreuzzüge weitere Verbreitung fanden, brachten
die Kaufleute feine Stoffe und prächtige Gewänder, Gewürze und Südftüchte,
kunstvoll verzierte Waffen, Schnmckgegenstände und neue Farbstoffe (Indigo,
Sandelholz) in den Handel. Die Kreuzfahrer lernten ferner neue Gewebe
(Kattun, Musselin, Damast), neue Gebrauchsgegenstände (Sofa, Divan, Matratze)
und neue Einrichtungen (Alkoven, Bazar, Magazin, Lazarett) kennen und trugen
zu deren Verbreitung in der Hemmt bei. Die kunstvollen Bauten und Ver¬
zierungen (Arabesken), die herrlichen Elfenbeinschnitzereien und Schmuckwaren
wirkten veredelnd auf den Kunstsinn der Kreuzfahrer und regten in der Heimat
zur Nachahmung an. Doch auch Luxusartikel, wie farbenprächtige Teppiche und
Prunkgewänder, kostbare Glaswaren und Perlen, fanden im Abendlande Eingang
und führten bisweilen zu einer übertriebenen Verfeinerung der Lebensführung.
Die Dichtkunst wurde durch phantafievolle Sagen und Märchen bereichert.
Abendländische Ärzte lernten von arabischen und jüdischen Ärzten neue Heil¬
verfahren und Heilmittel kennen; aber auch der Aberglaube an wunderbare
Tränke und an die Wirkung von Geheimmitteln fand im Abendlande Eingang.
Die Rechenkunst verdankt den Kreuzzügen die Bekanntschaft mit den indisch¬
arabischen Ziffern. Die Geographie erhielt genauere Kenntnis über die von
den Kreuzfahrern und Kaufleuten berührten Länder. Mit Staunen vernahm man
mi Abendlande die Berichte über wunderbar gebaute Städte, seltsam schöne Ge¬
genden und sonderbare Erzeugnisse der Tier- und Pflanzenwelt. Endlich trugen
die Kreuzzüge auch zur Förderung des Kriegswesens im Abendlande bei.
Neben der Ausrüstung und Bewaffnung der Ritter (Kettenpanzer) bot besonders
das arabische Belagernngs- und Besestignngswesen manches Lehrreiche für die
Kreuzfahrer. Außer dem Gebrauch verbesserter Wurfmaschinen lernte man
auch die Anwendung verschiedener Spreng- und Zündstoffe (griechisches Feuer)
durch die Araber kennen.
* Das Rittertum.
1 Entstehung. Die alten Teutschen kämpften zu Fuß; erst Karl der
Große und Heinrich I bildeten Reiterheere. Tie Fürsten, Grafen und Frei-
Realienbuch. Z