Full text: Nicolaisches Realienbuch

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berühmte preußische Pünktlichkeit, der Pflichteifer im Beamtenstande, die 
straffe Zucht uud Ordnung im £ccre ließen nach und machten einer gewissen 
Lässigkeit Platz. So verlor Preußen allmählich seinen guten Ruf als 
europäischer Musterstaat. 
3. Die zweite und dritte Teilung Polens. Einen bedeutenden Lünder- 
znwachs erhielt Preußen während der Regierungszeit Friedrich Wilhelms II. 
durch die zweite uud dritte Teilung Polens. Erneute Unruhen in Polen 
veranlaßten Rußland und Preußen zum wiederholten Einschreiten mit Heeres- 
macht, da sie die Verbreitung des Aufstandes in die Nachbarländer befürchteten. 
Nach Niederwerfung des Aufstandes schritten die Mächte zur zweiten (1793) 
uud bald darauf (1795) zur dritten uud letzten Teilung Polens. Hierbei 
erhielt Preußen das Land zu beiden Seiten der Warthe uud zwischen Weichsel, 
Bug uud Niemen mit der Hauptstadt Warschau, außerdem Thorn uud Danzig. 
Aus diesem Anteil bildete Preußen die Provinzen Südprcußen uud Nen-Ost- 
preußen. Der östliche Teil Polens kam au Rußland uud der südliche au 
Österreich. Polen hörte aus, ein eigenes Königreich zu sein. — Preußen trat 
jedoch aus dem Wiener Kongreß 1815 diese Erwerbungen mit Ausnahme der 
Provinz Posen uud der Bezirke Thorn uud Danzig au Rußland ab. 
Der Nordamerikanische Freiheitskrieg (1775—1783), 
1. Ursachen. Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts war in Nord¬ 
amerika, hauptsächlich durch Ansiedler aus England, eine Anzahl Kolonien 
entstanden, aus denen sich allmählich 13 Staaten entwickelten. Diese 
wurden von Statthaltern unter englischer Oberaufsicht verwaltet, waren 
aber ziemlich unabhängig. Die wachsenden Staatsschulden veranlaßten Eng¬ 
land (um 1770), aus verschiedene nach den Kolonien eingeführte Waren, be¬ 
sonders auf Tee, einen bedeutenden Zoll zu legen. Die Kolonien erhoben 
dagegen Einspruch, uud eine aufgeregte Volksmenge versenkte im Hafen zu 
Boston eine ganze englische Schiffsladung Tee. Als deshalb die Engländer 
den Hafen von Boston gegen jeden Verkehr sperrten, erklärten die Vertreter 
der 13 Staaten alle Beziehungen zu England für abgebrochen, so daß ein 
Krieg ausbrach. 
2. Verlauf des Krieges. Die Kolonien stellten aus Bürgern ein Heer 
(Milizheer) auf, zu dessen Oberbefehlshaber Georg Washington ernannt wurde. 
Dieser war ein Pflanzer aus Virginien, der bereits im Kriege Frankreichs gegen 
England (1755—1763) als Oberst teilgenommen hatte. Unter großen Schwierig¬ 
keiten mußte Washington erst versuchen, ein einigermaßen kriegstüchtiges Heer 
heranzubilden. Beide Parteien zogen außerdem Hilfskräfte herbei. Die Eng¬ 
länder warben in den deutschen Kleinstaaten (Hessen-Kassel, Brannschweig, 
Waldeck) Truppen, und die Kolonien schlossen nach eifrigem Bemühen 
Benjamin Franklins mit Frankreich ein Bündnis. (Franklin war durch 
außerordentlichen Fleiß vom Buchdrucker zum General - Postmeister der 
Kolonien aufgestiegen und war später Gesandter in Versailles. Er ist auch 
der Erfinder des Blitzableiters.) Der Krieg wurde hauptsächlich im Staate 
dlew Port mit wechselndem Glücke geführt. Als aber die Kolonien aus
	        
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