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Solon.
Jeder hat das Recht, seinen Mitbürger wegen Müßiggangs
zu verklagen.
Von den Todten soll niemand übel reden.
An öffentlichen Orten darf einem Lebenden nichts Böses
nachgesagt werden.
Jeder Bürger soll die Beleidigung, welche einem andern
widerfährt, ansehen, als wäre sie ihm selbst geschehen, und nicht
ruhen, bis sie an dem Beleidiger gerächt ist.
Wer keineKinder hat, kann sein Vermögen vermachen, wem
er will.
Aehnliche Gesetze gab er noch manche; nur für den Eltern¬
mord wollte er keine Strafe festsetzen; denn er glaubte, ein so
abscheuliches, bisher unerhörtes Verbrechen werde hoffentlich in
Athen nie begangen werden. Die Todesstrafe wurde nur auf
wenige Verbrechen gesetzt; an ihre Stelle trat in den meisten
Fällen Entehrung und die damit verbundene Entziehung der
Bürgerrechte. Doch durste ein nächtlicher Dieb von dem Eigen¬
thümer auf der Stelle getödtet werden. — Wenn über Schuld
oder Unschuld eines Angeklagten die Stinimen der Richter gleich
getheilt waren, so wurde er freigesprochen. — Merkwürdig ist
das Urtheil, welches er selbst über seine Gesetze fällte; er sagte
nämlich, sie seyen nicht die besten, wohl aber die passendsten für
Athen. Um allfälligen Mängeln derselben abzuhelfen, verord¬
nete er, daß einmal im Jahr jedem Bürger gestattet seyn solle,
Vorschläge zur Veränderung jedes bestehenden Gesetzes zu machen.
Leicht hätte sich Solon zum Könige auswerfen können, und
es fehlte sogar nicht an vielen Aufforderungen dazu; aber er
wollte den Ruhm, den er sich als Gesetzgeber erworben hatte,
nicht durch einen solchen Schritt beflecken. Unter den vielen Ge¬
schäften, die er als Staatsmann zu besorgen hatte, arbeitete er
noch fortwährend an seiner eigenen Ausbildung, so daß er mit
Recht sagen konnte: „Unter vielem Lernen werde ich alt." Wir
finden bei den alten Schriftstellern mehrere werthvolle, einen
Grundsatz oder eine Lebensregel enthaltende Aussprüche Solons,
von welchen hier auch einige mitgetheilt werden sollen:
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