Full text: Bayerisches Realienbuch

Bürger. Solche befestigten Plätze waren aber noch keine Städte mit eigener Obrig— 
keit und eigenem Recht. Die städtische Entwicklung hat erst der Handel bewirkt. 
Kaufleute, die ihre bewegliche Habe am leichtesten durch die Feinde verlieren konnten, 
suchten hier Schutz. Die Märkte wurden in die Burgen verlegt. Dadurch kamen 
sowohl Leute als auch Reichtümer herzu. Der König verlieh solchen Orten das 
Marktrecht und damit seinen besonderen königlichen Schutz. Zur Zeit des Marktes 
wurde eine Stange aufgerichtet mit Schwert, Handschuh, Hut, Kreuz oder Fahne. 
Daraus entstanden später die Rolandsäulen, die in vielen Städten den Marktplatz 
zierten. Nun genoß der Ort selbst und auch der zugereiste Kaufmann den Königs— 
frieden. Ein Burggraf oder Schultheiß stand im Namen des Königs dem Markt— 
gericht vor und richtete mit den Schöffen in allen Marktsachen. Später übte der 
Rat der Stadt die Gerichtsbarkeit aus. Nach und nach bekamen die Städte immer 
mehr Recht, so daß sie auch über Leben und Tod ihrer Bürger richten konnten. Auf 
dem Marktplatz oder vor dem Tore stand der Galgen als Wahrzeichen solcher Macht. 
Alle Bürger waren dann nur diesem einen Gericht verantwortlich. Außer dem 
Gerichtswesen bekamen die Städte dann auch das Heer- und Steuerwesen in 
ihre Hand. Die reich gewordenen Städte strebten darnach, sich von ihrem Grafen 
oder Bischof frei zu machen und nur den Kaiser über sich zu haben. Gelang ihnen 
das, so waren sie freie Reichsstädte, die anderen hießen Landstädte. Die 
Blütezeit der Städte beginnt im 13. und 14. Jahrhundert. 
2. Aussehen. Die Städte waren zum Schutze gegen die Feinde mit einer 
hohen, oft doppelten Mauer umgeben, auf der sich runde, eckige oder spitze Wehr— 
türme befanden. An einzelnen Stellen führten durch die Mauern in die Stadt 
enge Tore, die nachts durch mächtige Torflügel geschlossen wurden. Der Raum 
innerhalb der Mauern wurde sorgfältig ausgenutzt. Darum waren die Straßen 
eng, die Häuser hoch. Obere Stockwerke baute man oft mehrere Fuß breit über 
das untere heraus, so daß man über sich den blauen Himmel kaum sehen konnte. 
Meistens standen die Giebel nach der Straße hin. Die krummen Straßen waren 
ungepflastert. Da fast alle Bürger Ackerbau trieben und Vieh hielten, lag der 
Düngerhaufen neben dem Hause. Des Morgens tutete der Hirt die Kühe zu— 
sammen und trieb sie auf die gemeinschaftliche Weide. Schweine liefen frei auf 
den Straßen umher. Bei schlechtem Wetter konnte man sich kaum durch den 
Schlamm und die Pfützen hindurcharbeiten. Die Unreinlichkeit verdarb die Luft 
und das Wasser. Ansteckende Krankheiten, ja Pest und Aussatz forderten viele 
Opfer. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts wütete der „schwarze Tod“, eine furcht— 
bare Pest, in Westeuropa. Große Städte verloren oft mehr als die Hälfte ihrer 
Einwohner. Die Häuser waren meist aus Holz gebaut und mit Schindeln oder Stroh 
gedeckt. Brach in einem Hause Feuer aus, so verbreitete es sich oft schnell über 
ganze Straßen und Stadtteile und legte sie in Schutt und Asche. Reiche Leute bauten 
sich große und schöne Häuser, die Kinder und Enkel noch verschönerten. Am Markt— 
platze, der in der Regel mit einem Brunnen geziert war, lag das stattliche Rat— 
haus, daneben das Kaufhaus, wo die Kaufleute ihre Waren feilboten. Besonders 
schön waren die Kirchen mit ihren weithin sichtbaren Türmen, an denen frommer 
Eifer viele Jahrzehnte unter großen Opfern baute. Der Cölner Dom, das Straß— 
burger, Regensburger und Ulmer Münster sind Zeugen von der Größe und Kraft 
des städtischen Bürgertums. 
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