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14* Veredelung.
1. Die verschiedenen Apfelsorten stammen von dem noch jetzt in
unsern Wäldern wildwachsenden Holzapfel ab; die Früchte desselben
sind sehr herbe und fast ungenießbar; erst durch Veredelung hat man
die besseren Apfelsorten gewonnen. Selbst aus den Kernen edler Apfel¬
sorten entstehen in der Regel wieder Wildlinge, die also auch wieder
veredelt werden müssen. Das Veredeln geschieht bei den Obstbäumen
meist durch Kopulieren oder durch Pfropfen. Zum Kopulieren wählt man
vorzugsweise junge, dünne Bäumchen. Im Frühjahr durchschneidet man
dieselben in sehr schräger Richtung und setzt ein auf die Schnittfläche
genau passendes edles Reis. Dann bindet man beide Teile mit Linden¬
bast zusamnlen und bestreicht den Verband mit Baumwachs, um der
Luft den Zutritt zu verhindern. Nach 3—6 Wochen sind meistens beide
Teile verwachsen.
2. Das Pfropfen geschieht gewöhnlich ebenfalls im Frühjahr. Man
unterscheidet das Pfropfen in den Spalt und das Pfropfen in die
Rinde. Bei ersterem, das man bei stärkeren Stämmen oder deren Zwei¬
gen anwendet, setzt man das keilförmig zugespitzte Ende des Edelreises
so in den Spalt, daß an der einen Seite Rinde auf Rinde paßt. Das
Pfropfen in die Rinde wendet man in der Regel bei jungen Bäumen
an, da das Pfropfen in den Spalt leicht kranke Stämme erzeugt. Bei
dieser Pfropfweise wird das Edelreis unter dem untersten Auge mit
einem Querschnitt versehen und von hier aus schräg zugespitzt. Daun
schiebt nian das Reis behutsam zwischen Rinde und Holz des wagcrecht
abgeschnittenen Wildlings und legt einen Verband von Baumwachs um
die Schnittflächen. (— Eine dritte Art der Veredelung ist das Okulieren, Dftopfm in >l Spalt.
S. 29.)
15. Ire Wachtigall.
1. AirfentHnft. Aussehen. Sobald in der zweiten Hälfte des April die Lüste
lauer wehen, dann kehrt auch die Nachtigall ans dem warmen Süden zurück, um ihren
vorjährigen Aufenthaltsort bei uns wieder aufzusuchen. Gärten, Parkanlagen und
Haine mit niedrigem Gebüsch sind ihre Lieblingsplätze. Hier sitzt sie gewöhnlich einige
Meter hoch aus den Zweigen und läßt — den Schwanz erhoben, die Flügel etwas
gesenkt — ihr bezauberndes Lied erschallen. Zu dem Menschen hat sie großes Zu¬
trauen. Daher kann man sich ihr auch leicht bis auf einige Schritte nähern. Aber wie
erstaunt man, .wenn man das schlichte Kleid dieser herrlichen Sängerin erblickt! Nir¬
gends schillernde Farbenpracht! Oben ist das Gefieder dunkelbraun, unten hellgrau,
am Unterrücken und Schwanz rostfarben. Das ist alles. Fast möchte man es nicht
glauben, daß sich unter diesem einfachen Kleide die „Königin des Gesanges" verbirgt.
2. Gescrng. Anfangs läßt die Nachtigall ihren Gesang nur schüchtern ertönen.
Bald aber — besonders in den Wonnetagen des Mai — flötet sie so süß, so innig,
daß kein Menschenherz dabei gefühllos bleiben kann. Nur die Männchen singen,
einige des Nachts (Nachtschläger), andre am Tage (Tagschläger). Den herrlichen Ge¬
sang bringt die Nachtigall durch einen besondern Kehlkopf hervor. Sie hat nämlich
wie alle Singvögel 2 Kehlköpfe. Der obere liegt hinter der Zunge und ist nicht zur
Stimmbildung geeignet; der untere befindet sich in der Brust, am untern Ende der
Luftröhre, nämlich da, wo sich diese in die beiden Äste teilt, die in die Lunge führen.
In der halbkreisförmigen Öffnung jeder der Äste liegen die Stimmbänder. Durch das
Ausströmen der Luft werden sie in Schwingungen versetzt und fangen an zu tönen.
Die Fähigkeit der N., den Gesang ohne Unterbrechung so lange andauern lassen zu
können, erklärt sich aus dem großen Luftvorrate in den hohlen Knochen und in beson¬
dern Luftsäcken der Leibeshöhle, welche von der Lunge aus mit Luft gefüllt werden.
3. ZHr-e 'glafyxxtxxQ sucht die Nachtigall fast nie aus den Bäumen, sondern nur
an der Erde. Darum auch gab ihr die Natur hohe Läufe, die zum Scharren in Laub
und zum Hüpfen auf dem begrasten Erdboden sehr geeignet sind. Die Nahrung der
Nachtigall besteht hauptsächlich aus kleinen Schnecken, Fliegen-, Ameisen-, und Käser-