23
in
V. Pas Jeld im Funi.
Welch eine Lust für den Laudmann, im Monat Juni am Sonntagnachmittag durch
feine Felder zu wandeln! Frisches, wogendes Grün deckt die Flächen weit und breit.
Der Winterroggen, der schon im Herbste gesät wurde, schießt bereits Ähren, und der
Winterweizen wird bald folgen. Das Sommergetreide, das erst im Frühjahre gesät
wurde (Sommerroggen, Sommerweizen, Gerste und Hafer), ist zwar noch etwas
zurück, doch versprechen die dunkelgrünen Blätter einen kräftigen Halm. Der Raps ist
bereits gemäht, und die Kartoffeln bedecken schon mit ihren Stauden und Blattern den
Boden. Der Klee ist so lang, daß er gemäht werden kann, und Erbsen und Rüben
haben sich prächtig entwickelt. Da steht denn der Landmann und schaut an die Güte des
Herrn, und in seinem Herzen erklingt's: „Du feuchtest die Berge von oben her; du
machest das Land voll Früchte, die du schaffest. Du lässest Gras wachsen für das Vieh
und Saat zu Nutz den Menschen, daß du Brot aus der Erde bringest. * Und hoch oben
in der blauen Lust jauchzt auch die Lerche ihr Loblied und dankt dem Schöpfer, der
alles so schön gemacht hat.
81. Der Woggen.
1. Dus Kornfeld. Wo jetzt wogende Kornfelder stehen, da waren vor 2000 Jah¬
ren noch dichte Wälder und tiefe Sümpfe. Aber die Wälder sind ausgerottet und die
Sümpfe entwässert. Aus dem wilden Jäger und Hirten jener Zeit ist ein friedlicher
Landmann geworden, der keine andere Waffe als den Pstug kennt. So ein wogendes
Kornfeld erinnert lebhaft an das tiefe Meer und übt wie dieses einen geheimnisvollen
Zauber auf uns aus. Wehe dir, wenn du deinen Fuß in das Kornfeld setzen wolltest,
vielleicht eine der blauen Kornblumen zu pflücken ! Denn da drinnen sitzt die „Roggen-
muhme" und „wird die Kinder fangen, die nach den Blumen langen". Wichteln und
Elsen begleiten sie, und von ihnen rühren die kleinen Steige her, die man oft im Korn¬
felde findet. Der ungläubige Jäger freilich behauptet, der Hase habe sie getreten, und
lacht über „Roggenmuhme, Elfen und Wichteln".
2. Wurzel. An der Wurzel des Roggens sehen wir so recht, welche wunder¬
bare Lebensthätigkeit der allmächtige Schöpfer in die Pflanze gelegt hat. Die faserige
Hauptwurzel des Winterroggens steigt vor Weihnachten (namentlich auf trockenem
Boden) tief in die Erde hinab, weil sie der dort vorhandenen Feuchtigkeit und Wärme
bedarf. Bei den wärmeren Strahlen der Frühlingssonne dagegen stirbt diese Haupt¬
wurzel ab. An ihrer Stelle aber entwickeln sich dann eine Anzahl kurzer Neben¬
wurzeln. Dieselben sind ziemlich dick, damit sie den nun höher und höher empor¬
schießenden Halm tragen können. Da der schnell wachsende Halm im Frühlinge vieler
Nahrung bedarf, so breiten sich die Nebenwurzeln nach allen Richtungen hin unter
der Oberfläche aus, um so dem Erdboden die Nahrung von allen Seiten entziehen
zu können.
3. Kulm. Der Stengel des Roggens heißt Halm. Derselbe ist hohl und mit
Knoten versehen. Die Knoten sind sehr hart und geben dem schwachen Halme Festig¬
keit Zwischen je 2 Knoten befindet sich ein Stengelglied. Die untersten Stengel¬
glieder sind ungemein kurz, damit der Halm nicht so leicht einknicken kann. Sie treiben
nicht selten Wurzeln und Zweige: „der Halm bestockt sich". Der Landmann sieht
dieses „Bestocken" gerne, denn die Zweige lösen sich mit der Zeit von der Mutter¬
pflanze ab und bilden selbständige Pflanzen. Anfangs war der Halm nicht hohl, son¬
dern mit weichem Mark angefüllt. Je mehr aber derselbe wuchs und sich ausdehnte,
desto mehr dehnte sich auch das Mark, bis es endlich zerriß. So entstand die Höh¬
lung. An dem Halme sieht man Längsstreifen, das sind Gefäße oder Luftkanäle, in
denen im Frühlinge Wasser emporsteigt, während sie später mehr mit Luft angefüllt