Full text: Anschaulich-ausführliches Realienbuch

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d!e Franzosen da- schöne Elsaß hinnahmen. Schweden erhielt die Insel Mgen und 
Vorpommern mit der Hauptstadt Stettin. Der Kurfürst von Brandenburg wurde 
durch die Bistümer Kammin, Halberstadt und Minden sowie das Erzstift Magdeburg 
entschädigt. — Durch diesen langen Krieg war Deutschland in manchen Gegenden 
fast zur Einöde geworden. Tausende von Städten und Dörfern lagen in Schutt und 
Asche, und ihre Bewohner irrten heimatlos umher. Die Felder lagen unbebaut da, 
denn es fehlte an Saatkorn und noch mehr an Zugvieh. Zwei Drittel der Bewohner 
waren durch das Schwert oder durch Hunger und Pest dahingerafft worden. „Man 
wandert wohl 10 Meilen weit und sieht nicht einen Menschen. In allen Dörfern sind 
die Häuser voller Leichname und Äser gelegen, weil niemand gewesen, der sie begra¬ 
ben hat." Roheit und Sittenlosigkeit hatten überhand genommen. Das Morden war 
zum Handwerk geworden. In den Wäldern hausten Räuber und sielen über die Rei¬ 
senden her oder brachen in die Dörfer ein. Rot und Elend herrschte überall. Es dauerte 
Ml 200 Jahre, ehe Deutschland sich vollständig wieder erholte. 
17. Der Zerfall des deutschen Weiches. Durch den westfälischen Frieden wurde 
die Einheit des deutschen Reiches fast vernichtet. Die kaiserliche Macht sank zum Schatten 
herab, während Die Macht der Einzelstaaten bedeutend verstärkt wurde. Ohne die Zustim- 
munq des Reichstages (mit 240 Stimmen) konnte der Kaiser weder über Krieg und Frie¬ 
den beschließen, noch Gesetze erlassen oder ein Heer ausrüsten. Die etwa 360 weltlichen und 
geistlichen Fürsten und unmittelbaren Reichsstädte dagegen, aus denen sich Deutschland zu¬ 
sammensetzte, waren jetzt selbständige Herren geworden; sie konnten Krieg führen und 
Frieden und Bündnisse schließen, ganz wie es ihnen beliebte. Somit war Deutschland in 
viele einzelne Länder zerfallen, die nur noch lose durch den Kaiser zusammengehalten 
wurden. Das Gefühl der Zusammengehörigkeit schwand immer mehr, und im Auslande 
sah man nur mit Hohn und Spott auf das ohnmächtige, zerrissene Deutsche Reich. Diese 
Ohnmacht Deutschlands machte sich besonders Frankreich zu Nutzen, indem cs seine Grenzen 
auf Kosten Deutschlands zu erweitern und die Geschicke desselben nach seinem Willen zu 
leiten suchte. Die deutschen Kaiser, nur darauf bedacht, ihre österreichischen Besitzungen zu ver¬ 
größern, schützten das Reich nur, wenn sie sich selbst Vorteil davon versprachen. In dieser 
Nacht leuchtete nur ein Hoffnungsstern: das Geschlecht der Hohenzollern, das in Branden¬ 
burg mächtig emporstrebte! 
35. Z)ie Mcrr^k Wrnnöenbir^g. 
1. Are Wenden. Zwischen der Elbe und der Oder wohnten die Wenden. Sie 
hotten einen gedrungenen Körper und schwarzes Haar. Ihre Dörfer hatten die Form 
eines Hufeisens, und nur von einer Seite führte ein Weg in diesen Häuserkranz. Die 
Toten wurden verbrannt und die Aschenreste in Urnen aufbewahrt. Starb der Mann, so 
mußte die Frau den Scheiterhaufen besteigen oder sich in anderer Weise den Tod geben. 
Schwächliche Kinder wurden im Walde zum Verhungern ausgesetzt. Altersschwache 
Eltern ließen sich nicht selten von ihren Söhnen töten. Die Wenden verehrten 2 Haupt¬ 
götter: Belbog, den Schöpfer der Welt und Geber des Guten, und Zernebog, den 
Urheber des Bösen. 
2. Gründung der Wordmcrrk. Die Wenden fielen häufig raubend und 
plündernd in das benachbarte Sachsenland ein. Das änderte sich aber, als Heinrich I. 
Kaiser von'Deutschland wurde. Nachdem sich dieser ein kriegstüchtiges Heer (S. 17) 
ausgebildet hatte, zog er (927) über die Elbe, die übermütigen Wenden zum Gehor¬ 
sam zu zwingen. Eiligst zogen sich diese in ihre Hauptstadt Brcnnabor zurück, wohin 
ihnen die Sachsen wegen der vielen Sümpfe nicht folgen konnten. Schon triumphierten 
die Wenden. Plötzlich trat jedoch Frost ein, und Heinrichs Scharen drangen auf dem 
Eise bis unter die Mauern der Stadt vor. Nach kurzer Belagerung mußten sich die 
Wenden ergeben. Sie verpflichteten sich, einen Tribut zu zahlen, und gelobten, sich 
taufen zu lassen und Christen zu werden. Zu ihrer Bewachung gründete Heinrich 
zwischen der Elbe, Havel und Spree die Nordmark und setzte einen Markgrafen über 
dieselbe. Diese Nordmark ist der Anfang des preußischen Staats geworden.
	        
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