Object: Lesebuch für die evangelischen Volksschulen Württembergs

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. sterbende Geschöpf alle Wetter des Himmels und alle Plagen der 
Hölle hineinfluchte, und da das Thier sein mattes Auge noch einmal 
nach ihm erhob, mit einem schallenden Fußtritt auf die Nase, und 
im bittern Lachen der Wuth schrie: „so, schau mich auch noch einmal ' 
an, ehe du hin bist!" 
Wind und wehe ward mir auf meiner Straße, wie Geister 
umseufzten mich die Seelen der hier zu todt geplagten Thiere, und 
schienen sich wie vor einem Gericht in Schaaren zu sammeln, als 
Kläger wider die Rohheit und Kargheit der Menschen! 
52. Die seufzende Kreatur. 
Wir mögen stehen und gehen, wo und wohin wir wollen, fast 
überall haben wir Gelegenheit wahrzunehmen, wie die unvernünftige 
Kreatur von den Menschen mißhandelt wird; und zwar sind es mei¬ 
stens gerade die nützlichsten Thiere, die diese Mißhandlung zu er¬ 
fahren haben. Bald hören wir das Schmerzensgeschrei eines für die 
Schlachtbank bestimmten Kalbes, das vom Metzger hin und her. ge¬ 
zerrt, gestoßen, getreten, und von dem Metzgerhund überall gepackt 
und gebiffen wird; bald das ängstliche Schnattern einer Schaar Gänse, 
die von muthwilligen Buben gejagt, geworfen, geschlagen, in die 
Enge getrieben und endlich ihrer unreifen Federn beraubt werden. 
Aber nicht bloß böse Buben, sondern manche Hausfrauen selbst, die 
doch den Werth dieser Thiere zu schätzen wissen, mißhandeln dieselben 
auf eine harte Weise durch jämmerliches bis in den späten Herbst 
fortgesetztes Berupfen, so daß die armen Thiere, denen wir die war- 
« men Betten verdanken, zitternd vor Kälte, blutend an Brust und 
Bauch, in einer Körperstellung herumschleichen, die deutlich genug 
zeigt, wie arg mit ihnen umgegangen worden-ist/ Ein neues Leiden 
wartet auf die armen Thiere, wenn sie zum Abschlachten zubereitet 
werden; sie werden auf die widernatürlichste Weise so voll gepfropft, 
daß sie sich nicht mehr zu rühren vermögen und alle Augenblicke in 
Gefahr kommen zu ersticken, ehe das Messer ihren Qualen ein Ende 
macht. Noch trauriger ist das Schicksal vieler Pferde. In den besten 
Jahren werden sie Berg auf Berg ab und auf der Ebene gejagt, 
gepeitscht, bis endlich die steifen Gelenke den Dienst versagen. Dann 
kommen sie unter die derben Fäuste der Karrenfuhrleute, die zu arm 
sind, diese Thiere ordentlich zu füttern, nichts desto weniger aber 
ihnen Lasten zu ziehen geben, welche für junge und wohlgenährt 
Thiere schwer genug wären. Mills dann nicht gehen, so wird gefluch
	        
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