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Schneegestöber sich von weitem zeigten, so hielt ihn nichts mehr im Kloster
zurück. Nun strich er rastlos und bellend umher und ermüdete nicht, immer
und immer wieder nach den gesährlichen Stellen zurückzukehren und zu
sehen, ob er nicht einen Sinkenden halten oder einen Begrabenen hervor¬
scharren könnte, und konnkk er nicht Helsen, so setzte er in ungeheuren
Sprüngen nach dem Kloster hin und holte Hilft herbei. Als er kraftlos
und alt war, sandte ihn der würdige Prior des Klosters nach Bern, wo
er starb und in dem Museum aufgestellt wurde. Nach Lenz.
109. Der Juchs.
Fuchs, rede! Sag' deine ganze Geschichte nebst allen deinen listigen
Streichen selbst her, doch lüge nicht mitunter! Märchen darfst du allen¬
falls wohl uiit anbringen. Wie gern hört man nicht das Märchen, daß
du mit deinem Schwänze Krebse fangest, während du doch gar keine issest!
Ich, Meister Fuchs, bin so groß als ein mittelmäßiger Schäferhund
und sehe auch diesem Hunde fast ganz ähnlich, habe rotgelbe Haare, —
doch gibt es auch graue, weiße, schwarze Füchse — und einen langen
Zottigen Schwanz, wohne in allen nördlichen Gegenden der Welt, in Höhlen
unter der Erde, fresse Hühner und Tauben, Gänse und Enten, und was
ich sonst noch von Geflügel erwischen kaun, auch Hasen und Kaninchen
und Eier und Käse, Milch und Butter. Habe ich aber alle diese guten
Bissen nicht, so nehme ich auch mit Ratten und Mäusen, Schlangen und
Eidechsen und Kröten fürlieb. Ach, und wie gern fresse ich Honig und
Weintrauben! Den Honig raube ich ebensowohl den Bienen als den
Wespen und Hummeln und achte gar nicht darauf, wenn sie mich auch
gleich iämmerlich zerstechen.
Ist es wahr, Fuchs, daß du keine eigene Wohnung bauest, sondern
andere Tiere aus der ihrigen verdrängst?
Allerdings. Ich kann mir zwar, wenn ich will, meine Wohnung
selbst graben; allein ich tue es nicht gern, weil ich dadurch zu viel Zeit
verderbe, die ich zur Durchstreichung meiner Gegend weit besser anwenden
kann.
Ich jage daher lieber die Dachse oder Kaninchen aus ihrem Loche
heraus und mache dasselbe sodann für mich und mein Weibchen und meine
Jungen zurecht. Wir bekommen alle Jahre vier bis sechs Junge, die ich
nach einigen Wochen mit Tauben, Hühnern, Käse und was ich sonst
Weiches den Bauern abzwacken kann, so lange füttere, bis sie groß und
stark genug sind, mit uns gemeinschaftlich auf das Rauben auszugehen.
Ich schlage meine Wohnung gern nahe bei Dörfern und Bauernhöfen auf,
damit ich schon von fern die Hühner gackern, die Hähne krähen, die Gänse
schnattern und das übrige Geflügel schreien hören kann. Nur des Ncrchts
gehe ich gewöhnlich auf das Rauben und Morden aus. Und das mache
ich so: Erst mache ich mir die nahen Dörfer, Meierhöft und abgelegenen
Häuser genau bekannt. Sodann spüre ich das Federvieh in denselben
aus. Hierauf merke ich mir diejenigen Höfe, worin ich Hunde höre. Nun
untersuche ich die Mauern und Hecken und andere bedeckte Orter, wo ich
am leichtesten durchkriechen oder darüber wegspringen kann. Jetzt schleiche