103
ich ganz langsam an den Ort meiner Bestimmung, setze über Zäune und
Mauern oder krieche und grabe mich unter denselben durch. Und endlich
breche ich in die Bauernhöfe ein und würge alles, was mir vorkomnrt.
Ach, wie geht es da nicht über die dummen Gänse und die armen Hühner
her! Werde ich nun in meinem Berufe nicht gestört, so würge und schleppe
ich so lange sort, bis mir entweder der Anbruch des Tages oder ein
Geräusch im Hause eine Warnung gibt mich davon zu machen und sür
diesmal nicht wieder zu kommen oder mich sehen zu lassen. Und so trage
ich oft in einer einzigen Nacht auf drei bis vier Tage Fraß genug zusammen.
Ebenso mache ich es auch auf den Bogelherden. Hat sich da ein
Kramtsvogel oder eine Schnepfe oder sonst ein Vogel in einer Schlinge
oder Leimrute gefangen, so komme ich den Vogelstellern zuvor und nehme
sie weg. Aus dem freien Felde aber überfalle ich die Hasen in ihrem Lager
und jage ihnen zuweilen ein wenig nach. Die Kaninchen besuche ich in
ihren unterirdischen Wohnungen, auch die Rebhühner und Wachteln spüre
ich mit leichter Mühe auf und fresse die Mutter nebst ihren Eiern und
Kindern weg.
Und das geht dir alles so ungestraft hin?
O nein! Man verfolgt und quält mich entsetzlich. Hunde und
Jäger und Bauern sind fast immer hinter mir her und jagen und ver¬
folgen mich oft ganze Tage lang in einem fort. Man legt mir Schlingen
und Fallen und schießt und prügelt mich zu Tode. Solange ich aber
noch Kräfte, und Atem habe zu laufen, lasse ich mich nicht so leicht gefangen
nehmen. Überfällt man mich in meinem Baue, so grabe ich mir geschwind
einen andern Ausgang und fliehe mit Weib und Kind davon und betrüge
den Jäger, der nun vergebens auf meinen Pelz lauert. Ist auch gleich
meine ganze Höhle mit Fallen umgeben und mir zur Flucht fast gar keine
Hoffnung mehr übrig, so leide ich doch lieber den grausamsten Hunger,
ehe ich mich in den ersten 14 Tagen zum Gefangenen ergebe, und versuche
alles Mögliche, noch zu entkommen. Hilft aber alles nichts, je nun, so
ist es endlich einerlei, ob ich in meiner Höhle verhungere oder in der Falle
eines gewaltsamen Todes sterbe. Ich klaffe und seufze eher nicht, als
wenn man mich lebendig ergreift und zu Tode prügelt. Und das hält
auch schwer, denn ich habe ein sehr zähes Leben; oft scheine ich tot, wenn
ich nur auf einen günstigen Augenblick warte, meine Feinde zu beißen
und zu entfliehen.
Ich lebe ungefähr zwanzig Jahre und lasse mich nicht leicht zähmen.
Schlägt nian mich des Winters tot, so gibt mein Balg treffliche Pelz-
kleider, und auch mein Schwanz tut dann allerhand Dienste. Ermordet
man mich aber des Sommers, so kann nur der Hntmacher meine Haare
gebrauchen. In vielen Gegenden ißt man auch mein Fleisch.
Du hast. ganz recht, schlauer Fuchs, dein Sommerbalg ist weit
schlechter als dein Winterbalg. Ei, weißt du auch wohl, was der Winter¬
balg eines deiner schönsten schwarzen Kameraden in Norwegen, Lappland
oder Sibirien kostet?
Nein, wieviel denn?
Dreißig bis vierzig, und einige Leute sagen sogar sechshundert bis
tausend Taler.
Ei, das wäre sehr viel!
Nach Raff.