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heiten erbaut. Man trat zu diesen Tempeln durch großartige Säulen¬
gänge und Vorhallen. Das Tempelgebäude selbst hatte zwei Abtheilungen;
die erste, in die man eintrat, glänzte von Gold, Silber und Edelsteinen
und war durch einen Vorhang abgesondert von dem zweiten, innersten und
heiligsten Raume. Der Priester, welcher den fremden Besucher des Heilig¬
thums empfangen hatte, näherte sich mit ihm in stiller Ehrfurcht dem Vor¬
hänge, hinter dem die Gottheit wohnte; und wenn nun der Vorhang weg¬
gezogen war, erblickte man etwa eine Katze oder ein anderes Thier.
Von Osiris, ihrem vornehmsten Gott, glaubten die Ägypter, daß er in
einem schwarzen Stier wohne, der auf der Stirn einen weißen Stern und
auf dem Rücken und an anderen Theilen des Leibes allerlei bestimmte
Zeichen habe. Einen solchen Stier nannte man den Apis; und der gemeine
Glaube war, daß der Geist des Osiris von dem Apis, welcher starb, wieder
in einen neuen Apis übergehe, wie denn die Ägypter auch von den Men¬
schenseelen glaubten, daß sie nach dem Tode 3000 Jahre lang durch Thiere
des Landes und des Meeres, vierfüßige und beflügelte wandern müßten,
bevor sie wieder mit einem menschlichen Körper vereinigt würden. Die Zeit
nach dem Tode eines Apis war für Ägypten eine Trauerzeit, bis ein neuer
gefunden war. Sobald sich aber das Gerücht verbreitete, daß irgendwo
eine Kuh ein männliches Kalb von dieser Zeichnung geworfen habe, war
das Land voll von Jubel, und alle legten ihre schönsten Kleider an. Man
brachte das Kalb, nachdem es vier Monate alt geworden war, auf einem
kostbar verzierten Schiffe nach der Hauptstadt Memphis, woselbst es einen
Tempel und um denselben schöne Gärten mit frischem Brunnenwasser fand.
Der Mann, von dessen Herde der Apis kam, wurde für den glücklichsten
unter den Sterblichen angesehen und von dem ganzen Volke mit Bewun¬
derung betrachtet.
Wenn das Land durch das Übermaß der Hitze dürre lag, oder wenn
die Pest oder sonst ein allgemeines Übel das Land heimsuchte, so führten
die Priester etliche der Thiere, in denen sie ihre Götter verehrten, an einen
abgesonderten Ort, woselbst sie ihnen zuerst die Noth des Landes vorstellten,
Abhilfe verlangten und sie ernstlich bedroheten, wofern diese nicht erfolgen
würde. Wenn dann nach einiger Zeit keine Änderung zum Bessern ein¬
trat, so tödteten die Priester dieselben Thiere, welche sie zu ihren Göttern
gemacht hatten.
118. Die Spartaner.
1. Die Spartaner und die Athener waren die beiden Hauptvölker der Griechm.
Jene wohnten in Lakonien in Südgriechenland. Ihren Ruhm und ihre Stärke ver-