Full text: Lesebuch für die Königlich Preußischen Unteroffizierschulen

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II. Ungebundene Form. 
derselbe schon groß ist. Linden, an welche sich wichtige Ereignisse knüpfen, 
giebt es und gab es viele, besonders in der Schweiz, so 3. B. die Linde in 
Altdorf, welche den Tellschuß sah. Geringere Veranlassungen zum Pflanzen 
von Linden kommen fast in jeder Stadt vor. Auf den Dörfern werden noch 
immer Erinnerungslinden gepflanzt, während die Städte nach Denkmälern von 
Erz und Stein trachten. 
Endlich ist die Linde der Baum der Freude und Jugendlust und der 
Baum des Todes. Um die Dorflinde tanzt die Jugend, und die Linde be— 
schattet den Friedhof und umgiebt die Kirche. Die Linde ist ein schöner 
Baum, wird groß, hat herrlich duftende Blüten, die sogar heilsam sind, und 
was wohl besonders hervorzuheben ist, sie wächst verpflanzt sehr leicht an und 
verträgt viel, — genug Eigenschaften, um einen solchen Baum vorzuziehen. 
Aus demselben Grunde wurde die Linde auch ein Baum der Zusammenkünfte. 
Die Linde verbreitet weit dichten Schatten, unter ihr ist es trocken, der Stamm 
bildet einen guten Hintergrund für den Sprecher, daher ihr Wert für Volks⸗ 
versammlungen. Eine verabredete Zusammenkunft kann auch keinen bessern 
Platz haben, denn die Dorflinde ist mit keinem Baume zu verwechseln. Noch 
jetzt finden Mai-, Pfingst- und Kirmestänze in Deutschland fast allgemein unter 
der Linde statt. Der Baum ist dann meist mit Steinen umgeben, und oft 
sind die ausgestreckten Äste mit Säulen unterstützt und diese wieder durch 
Gebälk verbunden, so daß eine Art Gebäude entsteht, welches bei schlechtem 
Wetter gedeckt werden kann. Solche Dorflinden sind nicht immer stolze Bäume 
mit schönen Kronen, sondern viel häufiger verstünmelt, so daß sie eigentlich 
nur eine Art Laube bilden, und die oft geköpften Äste endlich die Gestalt eines 
vielköpfigen Ungeheuers bekommen. 
Die Linde ist erhaben und lieblich zugleich, erhaben und edel durch 
ihren riesigen Wuchs, während ihre äußere Blüte stets den Eindruck der weib— 
lichen Anmut macht. Schon der Name Linde deutet auf Weichheit und An— 
mut. Lind bedeutel weich, mild, lieblich und angenehm, und lind ist ihr Blatt, 
lind ihre reizende Blüte, lind ihre Sprache im Winde, jenes liebliche Flüstern. 
18. Der Theestrauch. 
Karl Vogel. 
Die Pflanze, welche die gewöhnlichen Theearten liefert, die bei uns in 
den Handel kommen, ist ein Strauch, der, wenn er sich selbst überlassen bleibt, 
eine Höhe von 3 bis 83,75 Meter erreichen kann, unter dem Anbau aber im 
allgemeinen nur 1,5 bis 1,8, ja an mehreren Orten 0,6 bis 0,9 Meter hoch 
wird. Das Vaterland des Theestrauchs ist im südlichen, gebirgigen China zu 
suchen; außerdem wird sein Anbau schon seit längerer Zeit auch in Japan 
belcieben. Den Versuch, ihn nach andern Gegenden zu versetzen, hat man 
mehrfach, aber nicht immer mit gutem Erfolge gemacht; denn wenn auch die 
Pflanze die Versetzung in einen andern Boden verträgt und Theestrauch bleibt, 
so ist doch der eigentliche Duft dahin. 
Der Anbau des Theestrauchs und der Gebrauch seiner Blätter zur 
Herstellung eines warmen, gesunden Getränks ist in China und Japan 
sehr alt. Er ist dort unentbehrliches Bedürfnis geworden; denn wer es 
haben kann, trinkt dort den ganzen Tag über und hei allen Nahrungs— 
mitteln Thee. In Europa ist der Gebrauch des Thees schon seit mehr als 
hundert Jahren allgemein geworden. Vor dem 17. Jahrhunderte war derNo full text available for this image
	        
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