fullscreen: Vaterländische Geschichte

— 99 — 
so lange er es brauchte, so fügte er ihm nach der Schlacht bei Austerlitz 
und der Gründung des Rheinbundes so bitteren Hohn zu und behandelte 
es absichtlich so kränkend, daß die verletzte Ehre den König Friedrich Wil¬ 
helm zum Kriege zwang. Aber nun stand der König allein, und der 
Ausgang des Krieges war eigentlich schon entschieden, ehe der Kampf eröffnet 
wurde. Aber eine so schmähliche Niederlage, eine so klägliche Haltung der 
Truppen und zum Teil auch der Bevölkerung hatten die schlimmsten Be¬ 
fürchtungen nicht für möglich gehalten. Die Preußen, die noch auf die alte 
Kriegsführung vertrauten und deren Offiziere mit stolzen Worten in den 
Krieg zogen, erlitten in der Doppelschlacht bei Jena und Auerftädt (1806) 
einen furchtbaren Schlag. Sie wurden so gänzlich zersprengt, daß sich einzelne 
Haufen erst jenseits der Oder wieder zusammenfanden. Die Festungen er¬ 
gaben sich meist ohne Schwertstreich; nur Graudenz ((Sourbiere) und Kolb erg 
(Gneisenau, Schill und Nettelbeck) machten eine rühmliche Ausnahme. 
Napoleon, der sich nach der Schlacht bei Jena nach Berlin begeben hatte, 
ergriff die härtesten Bedrückungen gegen das Volk. Er ließ die Sieges¬ 
göttin von dein Brandenburger Thore nach Paris führen, raubte den 
Degen vom Sarge Friedrichs des Großen und schämte sich nicht, schänd¬ 
liche Schmähungen gegen die Königin Luise auszustoßen. 
In Ostpreußen hatten sich inzwischen die Reste der preußischen 
Truppen gesammelt. Kaiser Alexander von Rußland hatte ein Hilfskorps 
geschickt. Napoleon lieferte dem verbündeten Heere die Schlacht bei Pr. 
Et)lau (1807), die unentschieden blieb; aber bei Friedland war er so 
entschieden Sieger, daß Rußland vom Bündnisse mit Preußen zurücktrat. 
Der geschlagene König konnte nur noch um Frieden bitten, der denn auch 
in Tilsit (9. Juli 1807) zu stände kam. Preußen verlor die Hälfte seiner 
Länder, nämlich die Gebiete zwischen Elbe und Rhein, aus denen in Ver¬ 
bindung mit Braunschweig und Kassel das Königreich Westfalen gebildet 
wurde, das Napoleon feinem Bruder Jerome verlieh. Im Osten mußten 
Südpreußen und Nenostpreußen abgetreten werden, welche als Herzogtum 
Warschau an den König von Sachsen (Sachsen war Napoleons Verbün¬ 
deter geworden und hatte die Rangerhöhung erfahren) fielen. Inzwischen 
hatten die Franzosen Preußen in furchtbarer Weise ausgesogen: die Liefe¬ 
rungen an Geld, Nahrungsmitteln, Pferden, Heu und Hafer waren fast 
unerschwinglich; die hochmütige Behandlung, das Spioniersystem und der 
geistige Druck unerträglich. Nun tun zu diesem noch eine Kriegskosten- 
entschädigung von 360 Millionen Mark, die von den preußisch verbliebenen 
armen Provinzen aufgebracht werden mußten und sie zwangen, drei 
französische Armeekorps so lange aufzunehmen, bis der letzte Heller bezahlt 
war. Um das Maß der Schmach voll zu machen, wurde die Große des 
preußischen Heeres auf 4*2 000 Mann beschränkt. 
<>♦ Preußens Wiedergeburt. 
Das furchtbare Elend, das Napoleon über uns brachte, schlug doch 
schließlich zum Segen aus. Das Unglück wurde Preußens bester Arzt. 
7*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.