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so lange er es brauchte, so fügte er ihm nach der Schlacht bei Austerlitz
und der Gründung des Rheinbundes so bitteren Hohn zu und behandelte
es absichtlich so kränkend, daß die verletzte Ehre den König Friedrich Wil¬
helm zum Kriege zwang. Aber nun stand der König allein, und der
Ausgang des Krieges war eigentlich schon entschieden, ehe der Kampf eröffnet
wurde. Aber eine so schmähliche Niederlage, eine so klägliche Haltung der
Truppen und zum Teil auch der Bevölkerung hatten die schlimmsten Be¬
fürchtungen nicht für möglich gehalten. Die Preußen, die noch auf die alte
Kriegsführung vertrauten und deren Offiziere mit stolzen Worten in den
Krieg zogen, erlitten in der Doppelschlacht bei Jena und Auerftädt (1806)
einen furchtbaren Schlag. Sie wurden so gänzlich zersprengt, daß sich einzelne
Haufen erst jenseits der Oder wieder zusammenfanden. Die Festungen er¬
gaben sich meist ohne Schwertstreich; nur Graudenz ((Sourbiere) und Kolb erg
(Gneisenau, Schill und Nettelbeck) machten eine rühmliche Ausnahme.
Napoleon, der sich nach der Schlacht bei Jena nach Berlin begeben hatte,
ergriff die härtesten Bedrückungen gegen das Volk. Er ließ die Sieges¬
göttin von dein Brandenburger Thore nach Paris führen, raubte den
Degen vom Sarge Friedrichs des Großen und schämte sich nicht, schänd¬
liche Schmähungen gegen die Königin Luise auszustoßen.
In Ostpreußen hatten sich inzwischen die Reste der preußischen
Truppen gesammelt. Kaiser Alexander von Rußland hatte ein Hilfskorps
geschickt. Napoleon lieferte dem verbündeten Heere die Schlacht bei Pr.
Et)lau (1807), die unentschieden blieb; aber bei Friedland war er so
entschieden Sieger, daß Rußland vom Bündnisse mit Preußen zurücktrat.
Der geschlagene König konnte nur noch um Frieden bitten, der denn auch
in Tilsit (9. Juli 1807) zu stände kam. Preußen verlor die Hälfte seiner
Länder, nämlich die Gebiete zwischen Elbe und Rhein, aus denen in Ver¬
bindung mit Braunschweig und Kassel das Königreich Westfalen gebildet
wurde, das Napoleon feinem Bruder Jerome verlieh. Im Osten mußten
Südpreußen und Nenostpreußen abgetreten werden, welche als Herzogtum
Warschau an den König von Sachsen (Sachsen war Napoleons Verbün¬
deter geworden und hatte die Rangerhöhung erfahren) fielen. Inzwischen
hatten die Franzosen Preußen in furchtbarer Weise ausgesogen: die Liefe¬
rungen an Geld, Nahrungsmitteln, Pferden, Heu und Hafer waren fast
unerschwinglich; die hochmütige Behandlung, das Spioniersystem und der
geistige Druck unerträglich. Nun tun zu diesem noch eine Kriegskosten-
entschädigung von 360 Millionen Mark, die von den preußisch verbliebenen
armen Provinzen aufgebracht werden mußten und sie zwangen, drei
französische Armeekorps so lange aufzunehmen, bis der letzte Heller bezahlt
war. Um das Maß der Schmach voll zu machen, wurde die Große des
preußischen Heeres auf 4*2 000 Mann beschränkt.
<>♦ Preußens Wiedergeburt.
Das furchtbare Elend, das Napoleon über uns brachte, schlug doch
schließlich zum Segen aus. Das Unglück wurde Preußens bester Arzt.
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