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192. Italien.
Italien wird im Norden vom übrigen Europa durch die Alpen getrennt,
die sich in einem Halbkreise um Norditalien herumziehen. Im Süden der
nach Italien steil abfallenden Alpenketten breitet sich die fruchtbare Lombar¬
dische Ebene aus, welche an vielen Stellen gegen das Adriatische Meer
durch Dämme geschützt werden muß. Sie erhebt sich südwestlich sanft zum
Apennin, welcher die Gestalt der ganzen Halbinsel bestimmt. Außer der
Lombardischen Ebene finden sich ebene Striche auf der Westseite Italiens am
untern Arno, sodann weiter nach Süden die Campagna di Roma mit den
Pontinischen Sümpfen und endlich bei Neapel die Campagna Felice, an deren
Südseite sich der Vesuv erhebt. Auf der Ostseite ist die Apulische Ebene die
bedeutendste.
Italien hat nur ein einziges größeres Flußsystem, das des Po, der die
gesegnete Lombardische Tiefebene durchströmt. Er empfängt von den Alpen
eine Reihe von Zuflüssen, die zum Teil ihr Gerölle in den herrlichen nord¬
italischen Alpenseen abgelagert haben.
Das schmale Apenninenland gönnt an keiner Seite größeren Gewässern
Raum zur Entwicklung. Selbst Arno und Tiber, die bedeutendsten
Apenninenflüsse, sind nur mit kleinen Schissen befahrbar. In den Küsten¬
strichen sind die Flüsse von Maremmen begleitet, unheimlichen, fieberglühen¬
den Sumpfniederungen. Die Fieberlust, die sich hier entwickelt, sucht man
jetzt zu bekämpfen durch massenhaftes Anpflanzen des australischen blauen
Gummibaumes, der befähigt sein soll das Sumpfwasser durch Aufsaugen
unschädlich zu machen.
Mit dem milden Klima des Südens gesegnet, von lauwarmen Lüften
angehaucht, trägt der Pflanzenwnchs nahezu tropische Fülle und Form. Eichen-
und Kastanienwälder bekränzen die Gipfel der Berge und weiter abwärts
grünen Olivenwäldchen, blühen und duften Orangenhaine, wallen Getreide¬
felder, prangen Weingelände und Gärten mit den mannigfachsten, reich-
behangenen Fruchtbänmen laden zur Ruhe und zum Genusse ein.
Prächtige Städte, stattliche Dörfer, malerische Villen, zierliche Kapellen,
umfangreiche Klöster und erinnerungsreiche Ruinen des Altertums und Mittel¬
alters bedecken weit und breit dieses herrliche Land.
Da der Boden überall sehr fruchtbar und ergiebig ist, so bildet die
Landwirtschaft die Haupterwerbsquelle der Bevölkerung, während die Vieh¬
zucht nur in der Poebene in größerer Blüte steht. Durch vorzügliche Kultur
und treffliche Bewässerung des Bodens zeichnen sich besonders die Poebene
und Toskana aus. Der Ackerbau liefert alle Getreidearten, besonders Reis
und Mais, in großer Menge zur Ausfuhr. Von den Handelspflanzen wird
Hanf als Ausfuhrartikel gebaut. In der Seidenraupenzucht ist Italien das
erste Land von Europa; ebenso geht es in der Kultur des Olivenbaumes
allen übrigen Staaten Europas voran. Der Weinbau ist sehr umfangreich
und liefert zum Teil hochgeschätzte Sorten. Die Waldungen bieten in den
zahlreich vertretenen, wertvollen Nutzhölzern für die Industrie ein ungemein