74 Erster Abschn. Von Karl dem Großen bis auf Rudolph von Habsburg.
Die Empörung mißglückte, Bernhard gerietst in die Gefangenschaft und
wurde auf dem Reichstag zu Aachen (818) zum Tode verurtheilt. Ludwig
wollte ihn begnadigen; doch Irmengard, seine Gemahlin, welche Italien
einem ihrer Söhne zuzuwenden suchte, redete ihm so lange zu, bis er
seinem unglücklichen Neffen die Augen ausbrennen ließ. Drei Tage nach¬
her starb Bernhard in Folge der Mißhandlung, und seit der Zeit hatte
Ludwig weder Ruh' noch Rast. Den baldigen Tod seiner Gemahlin sah'
er an als ein Strafgericht Gottes und schenkte reichlich an die Kirche und
an die Armen, um Vergebung für seine arge That zu erlangen. Doch
vermählte er sich bald wieder mit der schönen Judith, einer Tochter des
Grafen Welf von Weingarten. Diese wußte ihn in kurzer Zeit so in
ihre Gewalt zu bringen, daß er Alles that, was sie verlangte, gleichviel,
ob es dem Reiche nütze oder schade. Die Reichsgeschäfte wurden ver¬
nachlässigt, die Großen und die älteren Söhne Ludwig's mißvergnügt, die
Völker, besonders die Gränzbewohner schwierig und ungehorsam. Die
Beamten und Grafen aber, die sich ohne Aufsicht wußten, unterdrückten
und mißhandelten das Volk, Recht und Gerechtigkeit war nirgends zu finden,
wohl aber Raub und Rohheit, Mord und Diebstahl überall. Dazu kamen
noch Hungers- und Wassersnoth, wie denn selten ein Uebel allein kommt;
der Kaiser aber suchte durch Buße und Gebet zu verscheuchen, was er
größtentheils durch seine Nachlässigkeit herbei gerufen hatte. Als ihm
endlich im Jahr 823 die Judith noch einen Sohn gebar, ward die Ver¬
wirrung noch größer. Um nämlich diesem Sohne Karl auch ein Reich
zu verschaffen, stieß Ludwig die Theilung um, welche er früher unter seine
älteren Söhne gemacht hatte. Diese waren jedoch damit nicht zufrieden,
sie empörten sich öffentlich gegen ihren Vater, das Volk stellte sich auf
ihre Seite, und so geschah es, daß Ludwig von seinen eigenen Söhnen
gefangen genommen und den ganzen Sommer über in enger Haft gehalten
wurde (830). Sie wollten ihren Vater in ein Kloster schicken; da dieser
sich jedoch deß standhaft weigerte, wurden die bösen Brüder unter sich
uneinig, und dadurch gelangte Ludwig wieder zur Freiheit und zur Re¬
gierung. Da verbannte er den Lothar nach Italien und entzog ihm die
Mitregentschaft, theilte abermals das Reich zu Gunsten seines Sohnes
Karl und regierte noch schlechter, als vorher. Jetzt vereinigten sich die
Brüder wieder, und der Papst Gregor IV. segnete den unheiligen Bund.
Der Kaiser stand mit seinem Heere bei Worms, und seine Söhne zogen
ihm von Straßburg aus entgegen. Da geschah es in einer Nacht, daß
die meisten Krieger den Kaiser treulos verließen, und als er die wenigen