Full text: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

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Von diesen dehnte sich aber die damalige Fürstlich Thurn und 
Taris'sche Postverwaltung über die Gebiete von wieder nicht weniger 
als 16 größeren und kleineren deutschen Staaten aus. 
Die infolge dieser Mannigfaltigkeit im Postwesen sich ergeben¬ 
den Mißstände traten bei den Postvermaltungen der Hansastädte 
vollends in geradezu krasser Weise zu Tage. 
In Bremen bestanden vier Postämter, in drei verschiedene, 
entfernt von einander liegende Lokale verteilt; jedes mit seinen 
besonderen Vorschriften, jedes das Publikum auf seine Weise scherend, 
jedes mit seinen besonderen Tarifen und Portorechnungen! Ganz 
gleich lagen die Verhältnisse in Lübeck mit seinen drei Postämtern: 
Stadtpostamt, fürstlich Thurn und Taris'sches Postamt und könig¬ 
lich dänisches Postamt. Und dann erst Hamburg, das nicht weniger 
als sieben Postämter in seinen Mauern beherbergte, nämlich ein 
ta.ris'sches, ein preußisches, ein hannoverisches, ein dänisches, ein 
schwedisches, ein mecklenburgisches und das Hamburger Stadtpost¬ 
amt. Die Hamburger Kaufleute pflegten zu sagen: „Wir haben 
sieben Posten und doch keine Post." Mit anderen Worten: „Wir 
sind so glücklich oder unglücklich, sieben Postämter zu besitzen, ohne 
für dieselben ein gemeinschaftliches Gebäude zu haben." Denn 
von den sieben verschiedenen Posten, die wieder ihre verschiedenen, 
uniformierten Beamten, Briefträger usw. besaßen, waren nur vier 
in dem großen Postgebäude untergebracht, drei aber hatten ihre 
besonderen Räume. 
Aber auch bei den anderen deutschen Postverwaltungen machte 
sich die Mannigfaltigkeit in den Tarifen und Portoberechnungen 
in recht empfindlicher Weise geltend. Jedes der verschiedenen Post¬ 
gebiete, und innerhalb des Thurn und Ta.ris'schen Gebiets fast jeder 
einzelne Staat hatte seine eigentümlichen Einrichtungen, besondere 
Verwaltungsgrundsätze, Ta.ren, Gewichte und Gesetze. Diese waren 
so vielfacher Art und oft so verwickelt, daß selbst geübte Postbeamten 
nicht leicht im stände waren, alle Vorschriften richtig anzuwenden; 
um wie viel weniger noch waren die Bewohner hierzu im stände. — 
Die Überzeugung hatte sich denn doch nach und nach Bahn gebrochen, 
daß nur ein „allgemeiner deutscher Postkongreß" bei diesem be¬ 
dauernswerten Zustand des Postwesens Ordnung schaffen könnte. 
Ein solcher trat auch, von sämtlichen deutschen Staaten beschickt, 
am 18. Oktober 18-18 in Dresden zusammen. Nach 3Ü2 Monaten 
vergeblichen Veratens aber reisten die Kongreßmitglieder wieder in 
ihre Heimat zurück. Im daraus folgenden Jahre nahm der preußische 
Handelsminister v. d. Heydt die Angelegenheit aufs neue in die 
Hand. Seinen Bemühungen gelang es schließlich, am 6. April 
1850 den deutsch-österreichischen Postvereins-Vertrag zum Abschluß 
zu bringen. Dieser Verein, dem anfänglich nur Preußen und
	        
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