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13. Vom Dienen.
Und hüte deine Zunge wohl!
bald ist ein böses Wort gesagt.
O Gott, es war nicht bös gemeint; --
der andere aber geht und klagt.
O lieb, so lang' du lieben kannst!
O lieb, so lang' du lieben magst!
Die Stunde kommt, die Stunde kommt,
wo du an Gräbern stehst und klagst.
Dann kniest du nieder an der Grust
und birgst die Augen, trüb und naß,
— sie seh'n den andern nimmermehr —
ins lange, feuchte Kirchhofsgras.
Und sprichst: „O schau auf mich herab,
der hier an deinem Grabe weint!
Vergib, daß ich gekränkt dich hab'!
O Gott, es war nicht bös' gemeint!"
Er aber sieht und hört dich nicht,
kommt nicht, daß du ihn froh umfängst;
der Mund, der oft dich küßte, spricht
nie wieder: „Ich vergab dir längst!"
Er that's, vergab dir lange schon;
doch manche heiße Thräne fiel
um dich und um dein herbes Wort —
doch still — er ruht, er ist am Ziel.
O lieb, so lang' du lieben kannst!
O lieb, so lang' du lieben magst!
Die Stunde kommt, die Stunde kommt,
wo du an Gräbern stehst und klagst. Freiligrath.
13. Wom Arenen.
Verschiedene Ämter und Stände müssen sein. Am Himmel übertrifft
ein Stern den andern an Klarheit. An unserm Leibe führen Haupt,
Auge, Mund und Ohren die Herrschaft; Hände und Füße dienen. Sieh
auch die Frucht des Feldes an! Der Halm trägt die Ähre; aber die
Ähre hat die Ehre. Am Baume ruhen die Wurzeln, die ihm Nahrung
zuführen müssen, im Verborgenen; Blätter und Blüten stehen im Sonnen¬
glanze. In einem christlichen Hause gibt es auch Herren und Diener.
Gott hat es so geordnet und will, daß Knechte und Mägde in Ein¬
fältigkeit des Herzens ihren Herren dienen. Wer darin eine Ordnung
Gottes sieht, dem kommt sein Stand nicht verächtlich vor; er dient um
Gottes willen; Werke aber, in Gott gethan, sind überall Ehren¬
werke. Knechte und Mägde, welche in solcher Gesinnung dienen, können