Full text: Lesebuch für die Sonntagschulen der Pfalz

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so nahmen sie an Bargeld wenigstens 150 Millionen Mark, an Wehr¬ 
kraft mindestens ein Armeekorps, dazu einen bedeutenden Kapitalwert der 
Person an Arbeitskraft und Steuerkraft mit. Eingehende Berechnungen 
berühmter Gelehrten haben ergeben, daß man den Kapitalwert jedes Aus¬ 
wanderers, d. h. die Summe, die seine Erziehung und Ausbildung das 
Vaterland gekostet, auf 1500—2400 Mark, das mitgenommene Vermögen, 
das durchschnittlich auf jeden Auswanderer trifft, auf 450—600 Mark ver¬ 
anschlagen kann. Das bedeutet seit etwa 60 Jahren für Deutschland einen 
Schaden von vielen Milliarden Mark. Alles dies gewinnt das Land, 
in dem sich die Auswanderer niederlassen. Ein Land aber, dem Tausende 
von kräftigen Armen auf diese Weise kostenfrei zuströmen, muß sich 
schneller entwickeln, als dies sonst der Fall sein würde. Außerdem erheben 
beispielsweise die Vereinigten Staaten eine Einwanderungssteuer von 5 
Dollars für jeden Ankömmling und sie haben sich durch ein Gesetz, das 
die Landung von Krüppeln, Blinden, Tauben und Greisen (über 60 Jahre 
alte Personen) verbietet, sofern sie sich nicht über hinreichende Mittel zum 
Leben ausweisen können, gegen eine Übernahme von arbeitsunfähigen 
Personen geschützt. Zudem sind die Arbeitskräfte, die Deutschland durch 
die Auswanderung verliert, nicht etwa Bummler und Taugenichtse, sondern 
der allergrößten Mehrheit nach tüchtige Arbeiter, Menschen, die arbeiten 
können und wollen und die vermöge ihrer deutschen Erziehung ein starkes 
Pflichtgefühl und in Anbetracht des Zieles, das sie sich gesteckt haben, 
einen bedeutenden Arbeitsdrang mitbringen. 
Man hat zwar diesem allem gegenüber geltend gemacht, daß die Aus¬ 
wanderung gut sei, indem sie der Übervölkerung vorbeuge. Dies wäre 
ja zum Teil zutreffend, wenn immer nur aus den dicht bevölkerten 
Strichen ein Abfluß stattfände. Das ist aber durchaus nicht der Fall, 
sondern das Gegenteil findet statt. Zudem kann nach genauen Ermitt¬ 
lungen selbst die Auswanderung bei ihrem heutigen Umfange nur Vio 
der Volkszunahme im Deutschen Reiche abführen. Sollte also über kurz 
oder lang Übervölkerung zu befürchten sein, so wäre dieselbe durch die 
jetzige Auswanderung nicht abwendbar. 
Da durch Staatsgesetz die Auswanderungsfreiheit gewährleistet ist, 
frühere Verbote mancher Regierungen sich in ihrer Wirkung auch nicht 
bewährt haben, so ist man darauf bedacht, die Schäden, die dem Vater¬ 
lande durch die Auswanderung erwachsen, auf andere Weise gutzumachen. 
Gesetzlich beschränkt ist die Auswanderung nur insofern, als die Entlassung 
aus der Reichsangehörigkeit den Wehrpflichtigen nicht gestattet oder er¬ 
schwert wird. Viele erhalten auch nur die Erlaubnis sich bedingungsweise 
im Ausland aufzuhalten, bleiben deutsche Untertanen und müssen im 
Falle eines Krieges auf kaiserliche Aufforderung zurückkehren. Durch diese 
Gesetze wird das Land vor Schwächung der Wehrkraft geschützt. 
Sodann ist man bemüht diejenigen örtlichen Schäden zu beseitigen, 
die eine Masseuauswanderung verursachen. So werden beispielsweise im 
deutschen Osten, namentlich in der Provinz Posen, große Güter seitens 
der Behörde aufgekauft und zu Bauerngrundstücken zerteilt. Den Ein¬ 
wanderern aus dem Westen gewährt man bei der Ansiedlung mancherlei 
Vorteile, so daß sich neuerdings immer mehr Schwaben und Westdeutsche
	        
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