Der Reichstag
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Wirkung, daß durch sie jede Tätigkeit des Reichstags, und zwar auch
diejenige der Kommissionen beendigt wird. Der neu zusammew
tretende Reichstag kann die Geschäfte nicht wieder da ausneymen, we¬
der alte siewerlaisen hat; vielmehr müssen alle Gesetzesentwürfe, Peti¬
tionen und Anträge, wenn auf ihnen bestanden werden will, auss
neue eingebracht werden.
I. Der Reichskanzler und die Reichsbehvrden.
Die Neichsbeamten.
1. Der Rcichskanzler.
Der vom Kaiser ernannte" Reichskanzler ist der höchste -04
Beamte des Reichs. Alle kaiserlichen Anordnungen und Verfügun-
gen bedürfen zu ihrer Gültigkeit feiner Mitunterschrift (Gegen¬
zeichnung, f. dir. 16), wodurch er die Verantwortlichkeit für die¬
selben übernimmt; er ist daher der einzige verantwort-
liche Mini st er des Reich §.42 44
Dem Reichskanzler untersteht die gesamte Reichsverwaltung und
alle Reichsbehörden; er leitet namentlich auch nach dem Willen des
Kaisers die auswärtigen Beziehungen des Reichs. Er ist Mitglied
und Vorsitzender des Bundesrats und in der Regel zugleich preußi¬
scher Ministerpräsident. Im Reichstag vertritt er die Politik des
Kaisers und der verbündeten Regierungen.
Die dem Reichskanzler unmittelbar dienende, ihn in der Erledi¬
gung seiner Geschäfte unterstützende Behörde heißt die Reichs-
k a n z l e i. Sre vermittelt den Verkehr des Reichskanzlers mit den
einzelnen obersten Reichsbehörden.
2. Die Reichsdehvrden.
Das Reich beschränkt sich, wie schon früher gezeigt (s. Nr. 51), '05
fast auf allen Gebieten, welche seiner Gesetzgebung unterworfen sind.
42 Bei der Ernennung und Entlassung des Reichskanzlers ist der Kaiser
unabhängig von der Mehrheit des Reichstags; wir haben, wie bereits früher
erwähnt, ebensowenig im Reick wie in den Einzelstaaten eine sog. parla¬
mentarische Regierung ls. Nr. 15).
44 Allerdings bestehen keine Bestimmungen darüber, in welcher Weise
der Reichskanzler für seine Amtshandlungen vom Volke zur Verantwortung
gezogen werden konnte.
Keiner Gegenzeichnung bedürfen die Anordnungen, welche der Kaiser
als Oberbefehlshaber des Heeres und der Marine erläßt, soweit sie den
Charakter eines milrtärischen Befehls tragen.
Für den Fall der Behinderung des Reichskanzlers kann der Kaiser
entweder einen allgemeinen Stellvertreter ernennen oder die Vorstände der
obersten Reichsbehörden für ihren Geschäftskreis als Stellvertreter be¬
stellen; diesen liegt alsdann die Gegenzeichnung ob.