Full text: Geschichtliches Lesebuch

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sich durch Einziehung von erledigten Lehen und durch vorteilhafte 
Heiraten eine Hausmacht zu gründen. So vereinigte Karl IV. aus 
dem Hause Luxemburg Böhmen, den nördlichen Teil der Oberpfalz, 
Schlesien und Brandenburg, und durch den Besitz Brandenburgs er¬ 
langte er Ansprüche auf Pommern und Mecklenburg. Die Habsburger 
erwarben Österreich, Steiermark, Kärnten, Krain und Tirol. 
Außer den Kurfürsten gab es Herzöge, die jedoch nur den 
Namen mit den alten Stammesherzögen gemein hatten, ferner Mark¬ 
grafen, Landgrafen, Pfalzgrafen und andere gefürstete Grafen. Neben 
diesen weltlichen Gewalthabern gab es dann noch Erzbischöfe, Bischöfe, 
Reichsäbte und Ordensmeister. 
Ländliche Gemeinden, die frei geblieben waren, waren nur noch 
in Dithmarschen und Friesland und im Schweizer Hochlande zu 
finden; doch wurden sie von den umwohnenden Landesherren stets 
bedroht. 
Wir werden sehen, daß sich ganz Deutschland zuletzt in eine 
große Zahl völlig selbständiger Gebiete auflöste, daß die Macht der 
deutschen Landesfürsten immer mehr wuchs und daß sich in diesen 
Gebieten eine eigenartige Kultur, die fürstliche, entfaltete. Aber diese 
Entwickelung des Fürstentums erfolgte nur langsam; ihren Höhepunkt 
erreichte sie erst nach 1648. Die Zeit von 1300—1500 zeigt nur 
die Anfänge der selbständigen Fürstenmacht; die hervorstechenden 
Merkmale dieser Zeit sind die Blüte der Städte und des Bürger¬ 
tums, große Entdeckungen und Erfindungen und die Wiedergeburt 
des klassischen Altertums. 
Aufschwung der deutschen Städte. Während des 
früheren Mittelalters war Deutschland ausschließlich ein Land der 
Ackerwirtschaft. Jahrhunderte hatte die große Aufgabe beschäftigt, 
die Wildnis mit Axt und Pflug in Kulturboden umzuwandeln, und 
jede Macht, jedes Recht war untrennbar mit dem Grundbesitz ver¬ 
wachsen. 
Jetzt trat eine große Umwälzung ein: Deutschland ging von der 
Naturalwirtschaft zur Geldwirtschaft über. Noch im 13. Jahrhundert 
waren die meisten Städte Deutschlands nichts anderes als Anhäufungen 
von Gehöften oder sichere Marktplätze für die umliegenden Bauern¬ 
schaften. Allmählich wuchsen sie zu wirklichen Handels-, Gewerbe- 
und Geldplätzen heran. 
Das beruhte zum Teil auf dem Aufschwung der italienischen 
Städte. Zur Zeit der Kreuzzüge bemächtigten sich Venedig, Genua 
und Pisa der Handelsherrschaft im östlichen Mittelmeer. An den 
Endpunkten der orientalischen Handelsstraßen bauten sie ihre Faktoreien 
und empfingen dort die Erzeugnisse des Morgenlandes, um sie gegen 
Erzeugnisse des Westens auszutauschen. Darauf entwickelte sich auch 
der oberdeutsche Verkehr. In Venedig, Genua und Pisa fand der 
deutsche Pelz- und Tuchhandel sichere Absatzmärkte, und die großen 
Stapelplätze Italiens führten nach Deutschland die Erzeugnisse des 
italienischen Gewerbefleißes, insbesondere seidene Gewebe, und die 
Handelserzeugnisse des Orients.
	        
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