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beglaubigen und empfangen. In seiner Hand liegt also die
ganze Politik. Für Kriegserklärung bedarf der Kaiser der Zu¬
stimmung des Bundesrats; nur im dringlichen Falle, wenn
ein Angriff auf das Bundesgebiet zu Lande oder zur See
erfolgt, ist er bevollmächtigt, allein zu handeln. Er übt die
Staatsgewalt in den Reichslanden und die Schuhgewalt in den
deutschen Kolonien aus. Ihm steht, abgesehen von Württem¬
berg und Bayern, die gesamte oberste Leitung des Post- und
Telegraphenwesens zu. Der Kaiser beruft Bundesrat und
Reichstag, eröffnet, vertagt und schließt beide; eine Auf¬
lösung des Reichstages kann aber nur durch den
Bundesrat mit Zustimmung des Kaisers vor sich gehen, wenn
der Bundesrat in einer wichtigen Frage mit der Auffassung
des Reichstags nicht einverstanden ist.
Der Kaiser ist der ober st e Bundesfeldherr;
nur die bayerischen Truppen stehen im Frieden unter der
Oberhoheit des Königs von Bayern, im Kriege treten aber
auch sie unter den Befehl des Kaisers. Die Kriegsflotte des
Reichs ist eine einheitliche Einrichtung unter Oberbefehl des
Kaisers („Kaiserliche Marine").
Die Person des Kaisers ist unverletzlich; für Re¬
gierungs- und Privathandlungen kann er nicht zur Rechen¬
schaft gezogen werden. Die Kaiserlichen Erlasse bedürfen aber
zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung durch den
Reichskanzler, der damit die Verantwortlichkeit für sie
übernimmt.
Der vundesrat.
A n m. Unseres Bundesrats Vorgänger war der „Bundestags des
Deutschen Bundes, der sich am 24. August 1866 auflöste, als Österreich
aus dem Deutschen Bunde ausgetreten war. Eine Verschleppung der
Geschäfte, wie sie mit großer Kunst auf dem alten Reichstage in Regens¬
burg und im Bundestag in Frankfurt am Main ausgeübt wurde, indem
ma« den Gesandten keine oder ungenügende Instruktion erteilte, ist im
heutigen Bundesrate nicht möglich. Nicht vertretene oder nicht instru¬
ierte Stimmen werden nicht gezählt. Eine verfassungsmäßige Pflicht, sich
im Bundesrate vertreten zu lassen und an den Abstimmungen teil¬
zunehmen, besteht nicht.