Jäger: Der Wiener Kongreß und die heilige Allianz. 253 
Schwung der jüngst verlebten Zeit, der in den Gemütern noch nachwirkte, 
wenn nicht gute Thaten, so doch gute Worte zu geben und die ersten 
Hoffnungen mit neuen hinzuhalten. Aus dieser Stimmung heraus ward 
das wunderliche politisch - reliawse Bündnis oder Programm geboren, 
welches am 26. Sevtember des Kongreßjahres als Vertrag der h. Allianz 
von den Monarchen Rußlands, Österreichs und Preußens ohne Zuziehung 
eines Ministers abgeschlossen und unterzeichnet ward. Im Eingang sagt 
dieses Aktenstück, daß die drei Monarchen sich feierlich sowohl in der 
Regierung ihrer Staaten, als in ihrer auswärtigen Politik zu den christ¬ 
lichen Prinzipien der Gerechtigkeit, der Milde und des Friedens bekennen 
wollten; der Inhalt der drei folgenden Artikel war der, daß die drei 
Monarchen demgemäß sich als Brüder behandeln und unterstützen, auch 
ihre Völker — ihre Völker und Armeeen hieß es wunderlicherweise — 
in demselben Geiste der Brüderlichkeit als Väter einer Familie regieren 
würden; daß sie ihren Völkern demgemäß gleichfalls empfehlen, sich täglich 
mehr in der Übung der christlichen Pflichten zu befestigen, gemäß der 
einen christlichen Reliaion. welche sie, die Monarchen, Vertreter ihrer 
drei verschiedenen Hanptsormen, als die eine wahre nachdrücklich bekannten. 
Sie forderten zugleich alle gleichgesinnten Monarchen auf, dieser Allianz 
beizutreten. Die meisten Fürsten traten bei; die englische Regierung stimmte 
den ausgesprochenen Grundsätzen zu, an denen, wenn sie gehalten wurden, 
in der That nicht viel auszusetzen war; den förmlichen Beitritt zu einem 
Vertrage, der keiner war, lehnte sie ab. 
Man hat in der daraus folgenden Zeit des Unmuts und der Ent¬ 
täuschungen diese h. Allianz wie eine versteckte absolutistische Verschwörung 
gegen die Gewährung konstitutioneller Rechte an die Völker behandelt 
und geurteilt, daß sie von Anfang an in diesem unaufrichtigen Geiste 
geschlossen worden sei; boshafte Stimmen haben gleich an die guten Vor¬ 
sätze erinnert, mit denen nach dem Sprichwort der Weg zur Hölle gepflastert 
sei. Dieses Urteil einer verbitterten Zeit ist nicht richtig; weder für den 
Kaiser Alexander, von welchem der Gedanke ausging, und der, ein hoch¬ 
gesinnter, weich empfindender und für religiöse Gefühlseindrücke sehr 
empfänglicher Mann war, noch für den König von Preußen, in welchem 
das Unglück und die schweren Opfer des Krieges die ernste Religiosität, 
die von Anfang an in seiner Natur lag, gezeitigt hatten, noch auch für 
den Kaiser Franz, den es wenig kostete, ein Bekenntnis so allgemeiner 
Art auszusprechen, das schließlich ebenso gut, wie das revolutionäre Pro¬ 
gramm der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit sich jeder Politik an¬ 
bequemen ließ. 
Dasselbe harte und verdammende Urteil, wie über diesen seinen Schlu߬ 
stein, hat man auch über den Kongreß und sein ganzes Werk ausgesprochen. 
Es mag sein, daß über den Lustbarkeiten dann und wann der Ernst der
	        
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