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Begründung der Romantik. 
2. Hymnen an die Nacht. 
(Fassung nach der Handschrift, v. Sallwürk.) 
Welcher Lebendige, 
Sinnbegabte 
liebt nicht vor allen 
Wundererscheinungen 
s des verbreiteten Raums um ihn 
das allerfreuliche Licht — 
mit seinen Strahlen und Wogen, 
seinen Farben, 
seiner milden Allgegenwart 
io im Tage. 
Wie des Lebens 
innerste Seele 
atmet es die Riesenwelt 
der rastlosen Gestirne, 
iS die in seinem blauen Meere schwimmen, 
atmet es der funkelnde Stein, 
die ruhige Pflanze 
und der Tiere 
vielgestaltete 
so immerbewegte Kraft — 
atmen es vielfarbige 
Wolken und Lüfte 
und vor allen 
die herrlichen Fremdlinge 
25 mit den sinnvollen Augen, 
dem schwebenden Gange 
und dem tönenden Munde. 
Wie ein König 
der irdischen Natur 
so ruft es jede Kraft 
zu zahllosen Verwandlungen, 
und seine Gegenwart allein 
offenbart die Wunderherrlichkeit 
des irdischen Reichs. 
35 Abwärts wend' ich mich 
zu der heiligen, unaussprechlichen, 
geheimnisvollen Nacht. 
Fernab liegt die Welt, 
wie versenkt in eine tiefe Gruft; 
4o wie wüst und einsam 
ihre Stelle! 
Tiefe Wehmut 
weht in den Saiten der Brust. 
Fernen der Erinnerung, 
45 Wünsche der Jugend, 
der Kindheit Träume, 
des ganzen langen Lebens 
kurze Freuden 
und vergebliche Hoffnungen 
kommen in grauen Kleidern 
wie Abendnebel 
nach der Sonne 
Untergang. 
Fernab liegt die Welt 
mit ihren bunten Genüssen. 
In andern Räumen 
schlug das Licht auf 
die lustigen Gezelte. 
Sollte es nie wieder kommen 
zu seinen treuen Kindern, 
seinen Gärten, 
in sein herrliches Haus? 
Doch was quillt 
so kühl und erquicklich, 
so ahnungsvoll 
unterm Herzen 
und verschluckt 
der Wehmut weiche Luft? 
Hast auch du 
ein menschliches Herz, 
dunkle Nacht? 
Was hältst du 
unter deinem Mantel, 
das mir unsichtbar kräftig 
an die Seele geht? 
Du scheinst nur furchtbar — 
köstlicher Balsam 
traust aus deiner Hand, 
aus dem Bündel Mohn. 
In süßer Trunkenheit 
entfaltest du die schweren Flügel des Ge- 
und schenkst uns Freuden, 
dunkel und unaussprechlich, 
heimlich, wie du selbst bist, 
Freuden, die uns 
einen Himmel ahnen lassen. 
Wie arm und kindisch 
dünkt mir das Licht 
mit seinen bunten Dingen, 
wie erfreulich und gesegnet 
des Tages Abschied. 
Also nur darum, 
weil die Nacht dir 
abwendig macht die Dienenden, 
säetest du 
in des Raumes Weiten
	        
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