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Zeit der Reife. Lyrik und Drama.
König Helge trat in Odins Palast
in schwarzem Stahl, ein finsterer Gast,
i5 durch die Helden schritt er stumm.
Er schritt hindurch ohne Gruß und Dank
und setzte sich ans die letzte Bank
und sah sich gar nicht um.
Aufsprangen die Helden zu Spiel und
Kampf;
so ha! Schildeskrachen und Hufgestampf,
wie wogt' es stählern und dicht!
König Helge saß, ihm scholl kein Horn,
ihm sauste kein Speer, ihm klirrte kein
Sporn;
König Helge, der focht nicht.
25 „Wohl ist er hehr, Allvaters Saal,
der Boden von Gold, das Dach von
Stahl,
und silbern fließt die Luft.
Doch wäre der Himmel noch einmal so
licht,
den ganzen Himmel möcht' ich nicht
3o für Sigruns enge Gruft!"
Her trat mit Augen veilchenblau
die schwanenbusigste Schildjungfrau,
wie leuchtete ihr Gesicht!
Sie hielt das Horn, sie trank ihm zu:
35 „Mein schlanker Held, nun trinke du!"
König Helge, der trank nicht.
„Und liebten mich hundertJungfraunheiß,
wie die Hirschkuh schlank, wie das Schnee¬
huhn weiß,
ich höbe mein Auge kaum.
Du nimm dein Horn und laß mich nur; 40
bist nicht halb so schön als Sigrunur,
bei Sigrun ist mein Traum!"
So sitzt er da und trotzt und schweigt,
bis die Mitternacht niederblickt schwarz¬
geäugt;
dann ist frei der Geister Tun. 45
Dann flammt sein Aug' und rauscht sein
Schwert,
dann gürtet er sein goldrot Pferd;
dann geht es zu Sigrun.
Wie wild der Reiter, wie wild der Ritt,
wie klangvoll hämmert desHengstesTritt! 50
Es geht ja zu Sigrun!
Die Luft zerrinnt und die Erde birst,
wenn niederreitet der Nordlandsfürst,
um bei Sigrun zu ruhn.
Wenn der Morgenwind kühlet des Rosses
Schweiß, 55
dann reitet er heim, er reitet's nicht heiß;
sein Ritt, wie traurig und sacht!
Er reitet schweigend durch Wallhalls Tor
und setzt sich nieder wie zuvor
und harrt auf Mitternacht. eo
Z. Annette Freim von Droste-Hülshoff (1797-1848).
Gesammelte Schriften, herausgegeben von Levin Schücking. 2 Teile. Cotta 1878.
a) Aus der „Schlacht im Loenrr Sruch". 1623.
Aus dem ersten Gesang.
I. Einleitung.
's ist Abend, und des Himmels Schein
spielt um Westfalens Eichenhain,
gibt jeder Blume Abschiedskuß
und auch dem Weiher linden Gruß,
5 der ihm mit seinen blanken Wellen
will tausendfach entgegen schwellen.
Am Ufer Wasserlilien stehn,
und durch das Schilf Gesäusel gehn
wie Kinder, wenn sie. eingewiegt,
10 verfallen halb des Schlafes Macht,
noch einmal flüstern: „Gute Nacht!"
Es ist so still; die Ebne liegt
so fromm, in Abendduft gehüllt,
der Witwe gleich in Trauer mild,
die um sich zieht den Schleier fein, 15
so doch nicht birgt der Tränen Schein.
Am Horizont das Wolkenbild,
ganz, wie ihr Sinnen, zuckend Licht,
das bald sich birgt, bald aufwärts bricht,
phantastisch, fremd, ein Traumgesicht. 20
Seh' ich dich so, mein kleines Land,
in deinem Abendfestgewand —
ich meine, auch der Fremdling muß