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Christoph von Grimmelshausen. 
nicht vor ungefähr 18 Jahren die Reuter euer Hauss und Hof ge¬ 
plündert und verbrant? Ja, Gott erbarms, antwortete der Baur, 
es ist aber noch nicht so lang. Ich fragte weiter: Habet ihr nicht 
damals zwey Kinder, nemlich eine erwachsene Tochter und einen 
5jungen Knaben gehabt, der euch der Schaf gehütet? Hearr, ant¬ 
wortete mein Knän, die Tochter war mein Kind, aber der Bub nicht, 
ich habe ihn aber an Kindes statt auffziehen wollen. . . 
Ach, Herr, sagte er, der Mannsfelder Krieg hat mir ihn beschert, 
und die Nördlinger Schlacht hat mir ihn wieder genommen. Ich sagte, 
10 das muss wol ein lustige Histori seyn, mit Bitte, weil wir doch sonst 
nichts zu reden hätten, er wolte mirs doch vor die lange Weile 
erzehlen. Darauf fing er an und sagte: Als der Mannsfelder bey 
Höchst die Schlacht verlor, zerstreuete sich sein flüchtig Yolck weit 
und breit herum, weil sie nicht alle wüsten, wohin sie sich retiriren 
15 solten. Viel kamen in Spessert, weil sie die Büsche suchten, sich 
zu verbergen, aber indem sie dem Tod auf der Ebne entgingen, 
fanden sie ihn bey uns in den Bergen, und weil beyde kriegende 
Theile vor billich achteten, einander auff unserm Grund und Boden 
zu berauben und nider zu machen, griffen wir ihnen auch auff die 
20 Hauben. Damahls ging selten ein Bauer in den Büschen ohne 
Feuer-Rohr, weil wir zu Hauss bey unsern Hauen und Pflügen 
nicht bleiben konten. In demselben Tumult bekam ich nicht weit 
von meinem Hof in einem wilden ungeheuren Wald eine schöne, 
junge Edelfrau samt einem stattlichen Pferd, als ich zuvor nicht 
25 weit davon etliche Büchsenschüsse gehöret hatte. Ich sähe sie an¬ 
fänglich vor einen Kerl an, weil sie so männlich daher ritt; aber 
indem ich sie beydes Händ und Augen gegen dem Himmel auf- 
lieben sähe und auf Welsch mit einer erbärmlichen Stimme zu Gott 
ruffen hörete, liess ich mein Rohr, damit ich Feuer auf sie geben 
30 wolte, sincken und zog den Plahn wieder zurück, weil mich ihr 
Gesehrey und Geberden versicherten, dass sie ein betrübtes Weibs¬ 
bild wäre und mich alsobald zum Mitleiden bewegte. Mithin nä¬ 
herten wir uns einander, und da sie mich sähe, sagte sie: Ach! 
wann ihr ein ehrlicher Christen-Mensch seyd, so bitte ich euch um 
35 Gottes und seiner Barmhertzigkeit, ja um des jüngsten Gerichts 
willen, vor welchen wir alle um unser Thun und Lassen Rechen¬ 
schafft geben müssen, ihr wollet mich zu ehrlichen Weibern führen, 
die mich durch Göttliche Hültfe von meiner Leibes Bürde entledigen 
helffen! Diese Worte, die mich so grosser Dinge erinnerten, samt 
40 der holdseligen Aussprache und zwar betrübten, doch überaus schönen 
und anmuthigen Gestalt der Frau zwangen mich zu solcher Erbärmde, 
dass ich ihr Pferd beym Ziegel nahm und sie durch Hecken und 
Stauden an den allerdicksten Ort des Gesträuchs führete, da ich 
selbst mein Weib, Kind, Gesind und Viehe hingeflehnt hatte. Da- 
45 selbst genaß sie ehender als in einer halben Stunde dess jenigen 
jungen Knaben, von dem wir heut miteinander geredet haben.
	        
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