Full text: Deutsche Lyrik des 19. Jahrhunderts

Viktor von Scheffel. 
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Flickschuster im Gaden schwingt's Küpplein und spricht: 
„Der Himmel in Gnaden vergißt unser nicht, 
Sohlleder wird teuer, Bundschuh platzt am Rand, 
Der Heini von Steier ist wieder im Land." 
Schon schwirren zur Linde, berückt und entzückt 
Die lieblichen Kinde mit Kränzen geschmückt: 
„Wo säumen die Freier? Manch Herz steht in Brand .. 
Der Heini von Steier ist wieder im Land." 
Und wer schürzt mit Schmunzeln den Rock sich zum 
Sprung? 
Großmutter in Runzeln, auch sie wird heut jung, 
Sie stelzt wie ein Reiher dürrbeinig im Sand . . . 
Der Heini von Steier ist wieder im Land! 
Der Hirt läßt die Herde, der Wirt läßt den Krug, 
Der Knecht läßt die Pferde, der Bauer den Pflug, 
Der Vogt und der Maier kommt scheltend gerannt: 
„Der Heini von Steier ist wieder im Land!" 
Der aber hebt schweigend die Fiedel zur Brust, 
Halb brütend, halb geigend — des Volks unbewußt. 
Leis knisternd strömt Feuer um Saiten und Hand . . . 
Der Heini von Steier ist wieder im Land! 
. . . Im Gärtlein der Nonnen aus blumiger Höh 
Lehnt eine am Bronnen und weint in den Klee: 
„O Gürtel und Schleier . . o schwarzes Gewand . . 
Der Heini von Steier ist wieder im Land!" 
Stilles Heim. 
Hell blinkt die Zinnengiebelwand, 
Bestreift von den Hecken der Eiben, 
Und die Dreizahl der Erker schimmert ins Land 
Mit den runden Bleiglasscheiben. 
Hell blinkt Torgitter und Pfeilerportal, 
Drei Stufen führen herunter 
Zum Höflein, und am verschilften Kanal 
Nährt sich der Entenschwarm munter.
	        
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