Full text: Altdeutsches Lesebuch mit Anmerkungen (1)

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düng io verwandt; Walther ist zuweilen einem hellenischen 
Lyriker zum Verwechseln ähnlich, und der ausgelassene slithart an 
Grazie dem üheokrit1) ebenbürtig, an frischer Beiterkeif ihm weit 
überlegen. Und erstaunt fragen wir: wie war dergleichen naive 
5 schöne Beidensinnlichkeit bei guten Christen möglich? 
Aber diese Freude an schmuckvollem und lachendem Dasein 
wurde in altgermanischer Weise als abhängig empfunden von dem 
sieben der Natur. Wenn der sslai den Baum mit Blättern schmückte 
und die Beide mit Blumen, wenn die kleinen Vögel sangen und 
io das Wasser befreit von Eis und Schnee durch die Auen floh, hatte 
einst das Gemüt der Deutschen den Sieg der sslenschengötter über 
die feindlichen Riesengewalten gefeiert. Die alten Feste bestanden 
im zwölften Jahrhundert überall, aus den Städten ritt der Maigras 
mit feiner reisigen Schar zum Speerkampf gegen den Winter und 
i5 führte als Sieger den Reigen mit der blumengeschmückten Mai- 
gräfin; in jedem Dorfe kämpfte der laubumwundene Sommer mit 
dem vermummten Dämon des Winters; die Kinder und Erwach¬ 
senen zogen jubelnd aus, die ersten Veilchen zu suchen, sie warfen 
festlich geschmückt den Ball und sprangen auf der Wiese den 
2o Reigen. Auch dem höfischen Manne begann im Mai die sonnige 
Freudenzeit. Dann setzte er sein Waffengerät instand, dachte an 
Schmuck und schöne Kleider und zog aus zum siiebeswerben, zu 
Gastereien, zu Bochzeit und Curnier, oder auch einmal zu ernsterem 
Kampf, um Ehre zu erlangen, oder seiner erwählten Frau zu 
25 dienen, oder Gut zu gewinnen. Wenn aber der Winter nahte, 
die kleinen Vögel wegzogen, die Wiese fahl wurde, die Bläffer 
von den Bäumen sanken und der Reif die Äste umzog, dann j 
endete das fröhliche Creiben in der Landschaft, der Deutsche zog j 
sich in das innere des Bauies zurück, lebte ehrbar mit Weib und 1 
30 Kind und träumte goldene Cräume in der Boffnung auf das ; 
nächste Erwachen des Lebens. Diese Auffassung von einer Zwei* • 
feiligkeit des Menschenlebens, einer heiteren Sonnenseite und f 
kalter Dämmerungszeit, durchzieht die gesamte ritterliche Poesie; ; 
alles Empfinden der Stunde, jede lyrische Stimmung wird am r 
35 liebsten dem Grundfon angepaht, den die Landschaft im Sommer« » 
und Winterkleide der Menschenseele gibt. 
) griechischer 3dyIIendichter, um 270 v. Ghr.
	        
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