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Es ist wahr, das Christentum hatte das gesamte heben des
Deutschen io sehr mit hehre und heiligen Gehalten erfüllt und
war io eifrig bemüht, jede grofje Funktion feiner Cage durch
Weihen an sich zu fesseln, datz sich der haie vom morgen bis
Abend als treuer Christ fühlen muhte. Aber trotz der hegion
der Beiligen, trotz allen guten Werken und den asketischen
Übungen, denen sich auch der weltliche mann nicht entzog, wenn
ihn gerade feine Zünden drückten, war doch die fromme Ehrfurcht
vor dem Beiligften sehr vermindert. Zwar der Jungfrau Maria
werden kunstvolle heiche1) gedichtet, auch zur Befreiung des heiligen
Grabes wird noch in Kreuzliedern aufgefordert; aber in dieser
Poesie ist oft mehr Kunst als Empfindung, es find würdige
Chemafa, die der Schaffende ähnlich behandelt, wie die italieni¬
schen Maler im sechzehnten Jahrhundert die heilige Geschichte.
Denn häufiger als die Gestalten des christlichen Glaubens werden
in den Poesien der Minnesänger andere Gewalten angerufen von
befremdlichen Flamen: „Frau Sälde", „Frau Zucht", „Frau Ehre",
„Frau Minne", nicht mehr wie in der Beidenzeit als wirkliche
Göttinnen des Volkes, aber noch in lebendiger Erinnerung an das
Walten geheimer Mächte, die das Gemüt der Menschen regieren.
Die Beschäftigung mit diesen Gestalten ist allerdings ein Spiel geworden,
aber der Unterschied zwischen realer Wirklichkeit und poetischer
Erfindung ist den Schaffenden keineswegs so deutlich wie unserer
Zeit. Der Kirchenglaube aber stand dem Kreis idealer Empfin¬
dungen, die jetzt die Menschen erhoben: dem stolzen Mannes¬
mut, der Kriegerehre, dem Liebesglück, dem wagefrohen Werben
um Gunst und Gut, innerlich fremd und zur Zeit hilflos gegenüber.
Aber auch die sittlichen Forderungen, die in der Urzeit
dem Deutschen fein Schicksal geformt hatten, werden in der Bil¬
dung des zwölften Jahrhunderts noch einmal in neuen Verhält¬
nissen matzgebend. Die Jdee der Gleichheit aller Krieger drückte
sich in dem neuen Rittertum aus: eine grotze Genossenschaft,
die viele Bunderttaufende umsaht, macht jedem, der daran
teil hat, Ehre und Recht der Waffen gleich. Der Bauernsohn,
der Ritter geworden ist, kann — in dieser Zeit — auch dem
Fürsten und Gebieter deutschen Landes bei Cjoft und Curnier, im
*) Gelänge (aus ungleichen Strophen).
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