Full text: Altdeutsches Lesebuch mit Anmerkungen (1)

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Einzelkampf und im Baufenfpiel gegenübertreten; der Dienftmann 
und sein Randesgebiefer haben gleiches Recht, um die hiebe 
einer edlen Frau zu werben, und die Strafen für nicht ritter- 
mäßige Baltung sollen gegen beide dieselben fein. Und wieder die 
5 frei gewählte Bingabe an andere Menschen, das altheimische Be¬ 
dürfnis des treuen Dienstes, gewinnt noch einmal hohe Bedeu¬ 
tung in dem Dienst, den der Ritter feiner erwählten edlen Frau 
widmet. Es ist in neuen, wunderlichen Formen und bei auffallen¬ 
der Verrenkung des Gefühls im Grunde genau der alte Drang 
io der Selbffentäußerung. Allerdings nur noch ein Craum der Phan¬ 
tasie und haune. 
Denn poetisch gehoben war das Empfinden jener 
Zeit, und eine reiche Poesie in deutscher Sprache legt 
Zeugnis dafür ab. 
15 Emsig suchen wir bei jedem großen Fortschritt unserer Ration 
die Wege, auf denen er angebahnt wurde, hier und da vermögen 
wir die geheimen Quellen bloßzulegen, deren befruchtende Kraft 
ödes Beideland in blühende Auen verwandelte. Aber die Er- 
klärerkunft vermag doch nie das Geheimnis neuen Rebens ganz 
20 zu enthüllen. Auch das Aufblühen einer originalen deutschen 
Poesie am Ende des zwölften Jahrhunderts erscheint uns einem 
Wunder gleich. Denn fast plötzlich wird etwa feit dem Jahre 1170 
das deutsche Rand mit einer ritterlichen Dichtkunst und Riterafur 
gefüllt, von der wir in den Jahrzehnten zuvor aus überlieferter 
25 Schrift kaum die ersten Spuren entdecken. Schnell ist die deutsche 
Sprache eine andere geworden, der schwäbische Dialekt, der dem 
Bose des großen Bohenftaufen heimisch war, gestaltet sich zur 
gebildeten Schriftsprache; die neue Dichtung, die aus taufend 
Seelen ihre Rieder durch das Rand sendet, formt mit graziösem j 
30 Geschmack und sehr feiner Sprachempfindung die Weifen des alten j 
Volksliedes zu vornehmer Kunst aus und weiß die Cöne und ] 
Maße der Südfranzoien prachtvoll ins Deutsche umzuarbeiten, noch j 
im Anfange des zwölften Jahrhunderts ist die deutsche Sprache : 
ungeschickt, die Arbeit des denkendes Geistes und feine Empfin- 
35 düng schriftmäßig auszudrücken. Sie hängt noch ganz in Dia- - 
lekten, die schweren Vokale der silbenreichen Flexionsendungen r 
find nur zum üeil verdünnt und abgeschliffen, immer noch schwer- « 
fällig; der logische Zusammenschluß der einzelnen Satzteile durch r]
	        
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