Full text: Altdeutsches Lesebuch mit Anmerkungen (1)

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schichfichreibung gelehrter Mönche oft zuverlässig gemacht hatte, 
ging dieser Zeit fält verloren. Die persönlichen Erlebnisse und was 
schnell umbildendes Gerücht von den Daten anderer meldete, wurde 
sorglos zugerichtet und niedergeschrieben. Wie den Ritter sein 
5 Berz trieb, rastlos in Einzelkämpfen feine Kraft zu erweisen, in 
fremden Ländern zu fahren und vor allem Gefahren zu bestehen, 
die er um des Ruhmes willen suchte: so schuf er auch da, wo er 
Gedichtetes erzählte, oft zwecklose Abenteuer und eine Willkür der 
Ritterfahrten ohne innere Rotwendigkeit. Der preiswürdige Inhalt 
io feiner Dichtungen war immer ein Spiel mit dem Leben, ein ver¬ 
wegenes, launisches, zeitweilen tiefsinniges, oft wunderliches und 
unnützes Spiel, dem die ethischen Motive aller grossen volkstüm¬ 
lichen Gedichte, unwiderstehlicher Zwang der Verhältnisse, dämoni¬ 
sche Grötze der Leidenschaften fast immer fehlten. 
15 fluch die Liebe des Ritters war nicht eine grotze Leiden¬ 
schaft, sondern ein phantastisches Spiel, das ihn wohl in poetischer 
üräumerei erhob, selten fein wirkliches Leben mit ernstem Inhalt 
füllte. Es war charakteristisch für die gesamte Zeit, datz er diesen 
Kreis von idealen Empfindungen nicht bei der verlobten Braut 
20 und feiner Bausfrau suchte, sondern bei fremden Frauen. 
Durch die Bekanntschaft mit romanischer Gewohnheit lernten 
die Deutschen, datz es dem Ritter zieme, sich eine edle Dame zur 
Berrin zu wählen, in ihrem Dienste Gefahren zu bestehen, durch 
Rittertat und Liebeslied um ihre Gunst zu werben, um Ring, Band 
25 oder Schleier, den man an die Rüstung heftete, um Liebesblick 
und Erhörung. Verschwiegen sollte der Ritter fein, den Damen 
feiner Berrin niemand bekennen, für sie Gut und Leben dahin¬ 
gehen. Dagegen ziemte der Frau, den Mann, der sich in ihrem 
Dienste treu bewährte, und den Ruhm seiner namenlosen Dame 
30 im Lande verbreitete, nicht ohne Erhörung zu lassen. 
Aber es war mihlich, datz der Ritterdienst des Mannes bei 
so willkürlich gefetztem Verhältnis selten Gelegenheit fand, sich in 
ernster Männerarbeit zu betätigen. Das Lied des ritterlichen 
Sängers war doch nur ein heiteres Spiel der Phantasie. Freilich 
35 galt es strengen Charakteren, wie Wolfram von Eschenbach, nicht 
für das beite Werben. Aber worin bestand das Ritterwerk, das 
mehr gelten sollte? Rur selten konnte es Wunsch der Frauen fein, 
ihrem erwählten Ritter einen Kriegszug zu befehlen; dergleichen
	        
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