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Abriß der Literaturgeschichte.
ein. — Im Uebrigen herrschen noch die Rich¬
tungen der vorigen Periode, so daß es sich
noch um Sein und Nichtsein des Lohen-
stein'schen Geschmacks handelt.
II. 1745—1765. Mittelpunkt dieser Pe¬
riode ist Klopstock. Mit denk Jahre 1745
ist Gottsched's Fall entschieden; seine eigenen
Schüler erscheinen als selbstständig in den
Bremischen Beiträgen („Beiträge zum
Vergnügen des Verstandes und Witzes", in
Breinen gedruckt) und begründen den Leip¬
ziger Dichterkreis, der neben dem Halber¬
städtischen hauptsächlich diesen Zeitabschnitt
ausfüllt. Die Herausgeber der Zeitschrift
waren zunächst Gärtner, Cramer, Adolph
Schlegel; ihnen schlossen sich an: Gellert,
Rabener, Schmidt rc. In dieser Zeitschrift
erschienen 1748 die drei ersten Gesänge von
Klopstock's Messias, und damit war eine
neue Welt erobert. — Im Jahre 1747 kam
Gleim nach Halberstadt und begründete den
Mittelpunkt des Halberstädtischen (auch
Halle'schen oder Preußischen) Dichterkreises,
oder der Anakreontiker, die sich eben so
sehr im Anakreontischen Horaz als im Pin-
darischen Horaz gefielen, und neben genieß-
licher Tändelei zugleich ihren Heros Fried¬
rich II. im Schlachter getöse feierten (Gleim's
Kriegslieder 1759). — Wieland und Les¬
sing treten hervor: Wieland zuerst als Nach¬
eiferer Klopstock's in Zürich bei Bodmer;
Lessing (seit 1748 mit Mendelssohn und Ni¬
colai hauptsächlich in Berlin) als Vorkämpfer
zur Historie des Theaters (1750), seine Miß
Sara, als erstes bürgerliches Trauerspiel
(1755), seine Theilnahnie an Nicolai's
Bibliothek der schönen Wissenschaften (1757)
und besonders durch seine Literaturbriefe(1759).
— Hamann, der Magus des Nordens und
zugleich Vater der neueren Humoristik, ant¬
wortet den Berliner Philosophen von Königs¬
berg aus. — Aber Klopstock blieb der Ge¬
feierte; von seinem Messias erschienen 1756
die ersten zehn Gesänge, und seine Oden und
geistlichen Lieder schlugen begeisternd an die
Seelen. Auch im Drama trat er auf; „Der
Tod Adam's" erschien 1757.
§.22. Fortsetzung.
III. 1765- 1785. Das ist die Zeit der
literarischen Revolution; es ist die so ge¬
nannte Sturm- und Drangperiode. In
der Poesie stürmt Natur und Genie; in der
Philosophie, oder vielmehr in det Theologie,
gewinnt der Rationalismus das Feld, und
seichte Aufklärerei schreitet mit Perrückenstolz
durch Deutschland und sieht den eigenen Zopf
nicht. — Im Jahre 1764 erscheint Win ckel-
mann's Geschichte der Kunst, und eröffnet
die Geheimnisse der Antike und setzt sie auf
den Thron. — Im Jahre 1765 begründet
Nicolai die Allgemeine Deutsche Bibliothek,
die stehende Gesandtschaft der Berliner Auf¬
klärer. — Im Jahre 1766 erscheint Lessing's
L a o k o o n mit seinen scharfen Blicken in Kunst
und Poesie, und bald darauf (1768) seine
Hamburger Dramaturgie. Um dieselbe Zeit
(1767) trat Herder mit seinen „Fragmenten
zur Deutschen Literatur" hervor und setzte
Originalität und Natur an die Stelle der
Kunstregeln. Wieland gefällt sich unterdessen
in seinem französischeil Epikuräismus, und
läßt seit 1765 eine Reihe sittenloser Schriften
erscheinen, bis er in den siebziger Jahren
allmählich ivieder züchtiger wird. Er war der
Mann der französischen galanten Gesellschaft
uild beherrschte den Geschmack derselben durch
seinen „Deutschen Merkur", eine Zeitschrift,
die seit 1773 erschien. — Aber auch Klopstock
stand noch hoch; 1773 wird der Messias voll
endet; die Oden werden gesammelt und ver
mehrt; auch seine Bardiete und biblischen
Schauspiele finden Verehrer. Die Barden
sänger schlagen stürmisch in seine Harfe und
erwecken zugleich von Nordeil her die Gestalt
Ossian's (1768 von Denis übersetzt). Der
Göttinger Hainbund (1772 gestiftet) feiert
mit Begeisterung Klopstock's Geburtstag, und
briilgt ihm Wieland's Schriften zum Rauch
opfer (1773). — Da beginnt es vom Rheine
her zu stürmen; Zn Straßburg hat Herder
die Jugend entflammt; Goethe und seine
Genossen treten verwegen hervor; Goelhe's
„Götz" erscheint 1773, „Werther" 1774.
Sturm und Empfindsamkeit schließt sich an;
Klinger's Schauspiel „Sturnl und Drang"
1777; Miller's „Siegwart" 1776. — Her
der's „Stimmen der Völker" 1778 erweitern
die Herrschaft des Geme's und der Natur,
während Lessing's „Nathan" und die von
ihm herausgegebenen „Fragmente eines Un-
genanlüen" von Reimarus (1779) den Ra
tionalismus oder auch Naturalismus offen
an die Stelle des Christenthums setzen, Ba-
sedow den Philanthropismus eben so sehr
gegen das Christenthum als gegen den Hu¬
manismus predigt (seine Musterschule 1774
gegründet), und Kant von einer anderen
Seite her auf dem Wege des philosophischen
Kriticivmus den Boden des Positiven wankend
macht. Vergebens setzte der edle Lavater
seine Gläubigkeit dagegen; es war eben nur
persönlicher Theosophismus, ohne verbürgte
Auctorität, und als Goethe zwischen ihm und
Basedow saß, fühlte er treffend: „Prophete
rechts, Prophete links, das Weltkind in der
Mitte". Fast in demselben Jahre (1780 - 81).
wo zugleich der Josephinismus seine Triumph-