Full text: Handbuch für den deutschen Unterricht in den oberen Klassen der Gymnasien (Theil 2)

780 
Abriß der Literaturgeschichte. 
ein. — Im Uebrigen herrschen noch die Rich¬ 
tungen der vorigen Periode, so daß es sich 
noch um Sein und Nichtsein des Lohen- 
stein'schen Geschmacks handelt. 
II. 1745—1765. Mittelpunkt dieser Pe¬ 
riode ist Klopstock. Mit denk Jahre 1745 
ist Gottsched's Fall entschieden; seine eigenen 
Schüler erscheinen als selbstständig in den 
Bremischen Beiträgen („Beiträge zum 
Vergnügen des Verstandes und Witzes", in 
Breinen gedruckt) und begründen den Leip¬ 
ziger Dichterkreis, der neben dem Halber¬ 
städtischen hauptsächlich diesen Zeitabschnitt 
ausfüllt. Die Herausgeber der Zeitschrift 
waren zunächst Gärtner, Cramer, Adolph 
Schlegel; ihnen schlossen sich an: Gellert, 
Rabener, Schmidt rc. In dieser Zeitschrift 
erschienen 1748 die drei ersten Gesänge von 
Klopstock's Messias, und damit war eine 
neue Welt erobert. — Im Jahre 1747 kam 
Gleim nach Halberstadt und begründete den 
Mittelpunkt des Halberstädtischen (auch 
Halle'schen oder Preußischen) Dichterkreises, 
oder der Anakreontiker, die sich eben so 
sehr im Anakreontischen Horaz als im Pin- 
darischen Horaz gefielen, und neben genieß- 
licher Tändelei zugleich ihren Heros Fried¬ 
rich II. im Schlachter getöse feierten (Gleim's 
Kriegslieder 1759). — Wieland und Les¬ 
sing treten hervor: Wieland zuerst als Nach¬ 
eiferer Klopstock's in Zürich bei Bodmer; 
Lessing (seit 1748 mit Mendelssohn und Ni¬ 
colai hauptsächlich in Berlin) als Vorkämpfer 
zur Historie des Theaters (1750), seine Miß 
Sara, als erstes bürgerliches Trauerspiel 
(1755), seine Theilnahnie an Nicolai's 
Bibliothek der schönen Wissenschaften (1757) 
und besonders durch seine Literaturbriefe(1759). 
— Hamann, der Magus des Nordens und 
zugleich Vater der neueren Humoristik, ant¬ 
wortet den Berliner Philosophen von Königs¬ 
berg aus. — Aber Klopstock blieb der Ge¬ 
feierte; von seinem Messias erschienen 1756 
die ersten zehn Gesänge, und seine Oden und 
geistlichen Lieder schlugen begeisternd an die 
Seelen. Auch im Drama trat er auf; „Der 
Tod Adam's" erschien 1757. 
§.22. Fortsetzung. 
III. 1765- 1785. Das ist die Zeit der 
literarischen Revolution; es ist die so ge¬ 
nannte Sturm- und Drangperiode. In 
der Poesie stürmt Natur und Genie; in der 
Philosophie, oder vielmehr in det Theologie, 
gewinnt der Rationalismus das Feld, und 
seichte Aufklärerei schreitet mit Perrückenstolz 
durch Deutschland und sieht den eigenen Zopf 
nicht. — Im Jahre 1764 erscheint Win ckel- 
mann's Geschichte der Kunst, und eröffnet 
die Geheimnisse der Antike und setzt sie auf 
den Thron. — Im Jahre 1765 begründet 
Nicolai die Allgemeine Deutsche Bibliothek, 
die stehende Gesandtschaft der Berliner Auf¬ 
klärer. — Im Jahre 1766 erscheint Lessing's 
L a o k o o n mit seinen scharfen Blicken in Kunst 
und Poesie, und bald darauf (1768) seine 
Hamburger Dramaturgie. Um dieselbe Zeit 
(1767) trat Herder mit seinen „Fragmenten 
zur Deutschen Literatur" hervor und setzte 
Originalität und Natur an die Stelle der 
Kunstregeln. Wieland gefällt sich unterdessen 
in seinem französischeil Epikuräismus, und 
läßt seit 1765 eine Reihe sittenloser Schriften 
erscheinen, bis er in den siebziger Jahren 
allmählich ivieder züchtiger wird. Er war der 
Mann der französischen galanten Gesellschaft 
uild beherrschte den Geschmack derselben durch 
seinen „Deutschen Merkur", eine Zeitschrift, 
die seit 1773 erschien. — Aber auch Klopstock 
stand noch hoch; 1773 wird der Messias voll 
endet; die Oden werden gesammelt und ver 
mehrt; auch seine Bardiete und biblischen 
Schauspiele finden Verehrer. Die Barden 
sänger schlagen stürmisch in seine Harfe und 
erwecken zugleich von Nordeil her die Gestalt 
Ossian's (1768 von Denis übersetzt). Der 
Göttinger Hainbund (1772 gestiftet) feiert 
mit Begeisterung Klopstock's Geburtstag, und 
briilgt ihm Wieland's Schriften zum Rauch 
opfer (1773). — Da beginnt es vom Rheine 
her zu stürmen; Zn Straßburg hat Herder 
die Jugend entflammt; Goethe und seine 
Genossen treten verwegen hervor; Goelhe's 
„Götz" erscheint 1773, „Werther" 1774. 
Sturm und Empfindsamkeit schließt sich an; 
Klinger's Schauspiel „Sturnl und Drang" 
1777; Miller's „Siegwart" 1776. — Her 
der's „Stimmen der Völker" 1778 erweitern 
die Herrschaft des Geme's und der Natur, 
während Lessing's „Nathan" und die von 
ihm herausgegebenen „Fragmente eines Un- 
genanlüen" von Reimarus (1779) den Ra 
tionalismus oder auch Naturalismus offen 
an die Stelle des Christenthums setzen, Ba- 
sedow den Philanthropismus eben so sehr 
gegen das Christenthum als gegen den Hu¬ 
manismus predigt (seine Musterschule 1774 
gegründet), und Kant von einer anderen 
Seite her auf dem Wege des philosophischen 
Kriticivmus den Boden des Positiven wankend 
macht. Vergebens setzte der edle Lavater 
seine Gläubigkeit dagegen; es war eben nur 
persönlicher Theosophismus, ohne verbürgte 
Auctorität, und als Goethe zwischen ihm und 
Basedow saß, fühlte er treffend: „Prophete 
rechts, Prophete links, das Weltkind in der 
Mitte". Fast in demselben Jahre (1780 - 81). 
wo zugleich der Josephinismus seine Triumph-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.