Abriß der Literaturgeschichte.
Aug. Wolf (>759 — 1824), der die Philo¬
logie zu einer förmlichen Standeswissenschaft
erhob und ihr das classische Alterthum zum
höchsten Objecte machte. Unermüdliches Stu¬
dium in Literatur und Alterthümern schloß
sich an, aber auch in der Folgezeit maßlose
Silbenstccherei und negative Kritik, mit über¬
müthiger Eitelkeit und wahrer Jdololatrie.
Das ist das philologische Heidenthum, wel¬
ches bald in die Schulen eindrang, sich mit
Lesarten und Conjecturen sättigte, und den
Unfrieden des Herzens im Groll gegen Mit¬
telalter und Priesterthum zu ersticken suchte.
V. 1805 — 1825. Uebergang der Poesie
zur Wissenschaft. Mit Schiller's Tode, dem
Klopstock und Herder kurz vorangegangen,
war auch für Goethe ein Wendepunkt einge¬
treten; er vollendete den ersten Theil des
Faust (1806) und wandte sich dann zu pro¬
saischer Darstellung und zur Wissenschaft.
Auch die Führer der romantischen Schule
concentrirten ihre Wirksamkeit immer mehr
in wissenschaftlichen Darlegungen, und wählten
dafür besonders die Form der öffentlichen
Vorlesungen und Reden. Die Freiheits¬
kriege erweckten noch einmal frische Klänge
in den patriotischen Sängern, und mit
gleicher Frische erklangen bald hier, bald dort
echte Herzenstöne der Lyrik oder geheimni߬
volle Sagen der Vorzeit in Balladen — wie
bei Uhland. Aber im Großen wär die Poesie
in sich alterirt; daher die düsteren Schick¬
salstragödien neben dem theaterfüllenden
Kotzebue. Und so tritt dann das didak¬
tische und satirische Element hervor in Rückert
und Platen, die sich zugleich in der Herbei¬
führung orientalischer Schätze begegnen.
Desto größer und ausgedehnter waren
während dieser Zeit die Thaten der Wissen¬
schaft und Gelehrsamkeit. Glaube, Unglaube
und Aberglaube rangen mit einander; neben
den ruhigst gründlichen, wie begeistert thäti-
gen Werken für Christenthum und Kirche
schraubte die Philosophie sich bis zum Pan¬
theismus auf und aus, was denn später na¬
türlich Weltschmerz und Materialismus zur
Folge haben mußte. In gleichem Maße
schraubte sich begreiflicher Weise auch die phi¬
losophische Sprache in eine Gestalt, wovor
wenigstens der gesunde Menschenverstand wie
vor einem Trugbilde zurückschrecken muß.
Wo keine Wahrheit, da ist auch keine Klar¬
heit. Hegel in Berlin 1818. — Geschichts¬
werke wuchsen mächtig aus Gelehrsamkeit und
Begeisterung hervor. — Die Beredsamkeit
machte sich geltend in Schriften und Vor¬
lesungen. Fichte's Reden an die Deutsche
Nation 1808; der beiden Schlegel Vorlesungen,
besonders 1809—11; I. Görre's Rheinischer
Mercur 1814. — Das classische Alterthum
> wie die Deutsche Vorzeit traten lebendig vor
die Augen. Die Sprachwissenschaft stieg zu
einer nie gekannten Höhe; Adelung's „Mi-
thridates" 1806; Grimm's Grammatik 1819.
Die Naturwissenschaft fand einen Humboldt
und Oken (Humboldt's Ansichten der Natur
1808; Oken's Naturphilosophie 1809, Na¬
turgeschichte 1812). Und von allen diesen
: Straßen der großen Geister gingen zahllose
Pfade ins Volksleben hinab, so daß allmählich
auch die Dorfschule in die literarische Atmo¬
sphäre eintrat, freilich nicht immer zum Heile.
i §. 24. Ueberblick der vorzüglichsten
Dichter und Dichtergruppen.
Die vorzüglichsten Dichter und Dichter-
gruppen während dieser Periode sind:
1) Haller (1708—77).und Hagedorn
(1708—54) als zwei Dichter, welche, unab¬
hängig von einander wie von den Geschmacks-
schulen, gleichsam den friedlichen Eingang zur
neuen Periode bilden, Haller im Süden,
Hagedorn im Norden Deutschlands, jener mit
Ernst und Kürze, dieser mit Scherz und
Glätte.
2) Gottsched (1700—66) und Bodmer
(1698—1783), welche mit literarischem Streite
in die neue Zeit einführen, jenem Streite,
der, wenn auch in anderer Form, sich in der
Sturm- und Drangperiode wiederholte (781).
I 3) Der Sächsische Dichtcrkreis, oder die
Verfasser der Bremer Beiträge (S. 781).
Im Ganzen trägt dieser Kreis einen ernsten,
religiös-moralischen Charakter. Es gehören
dahin, theils als persönliche Universitäts¬
freunde, theils als später sich anschließend:
I. Gärtner, 2. Cramer, 3. Adolph Schlegel,
4. Geliert, 5. El. Schlegel, 6. Rabener,
7. Ebert, 8. Giseke, 9. Schmidt, 10. Zachariä,
II. Kästner, 12. Cronegk. Auch Klopstock
ist in ihrer Mitte und ganz ihr Herzens¬
freund; aber seine Größe hebt ihn für die
Literatur aus diesem Kreise heraus und gibt
ihm seine eigene Stellung.
4) Der Halle'sche (auch Halberstädtische
und Preußische) Dichterkreis oder die Ana¬
kreontiker. In Halle, wo Lange und Pyra
dichteten, trafen sich auf der Universttät Gleim,
Uz und Götz; später kam Gleim nach Hal¬
berstadt und bildete dort einen Mittelpunkt
von dichterischem Streben. Horaz war Vor¬
bild; sie erdichteten sich Lebensgenuß und
erhuben sich Friedrich den Großen zum ver¬
götterten Augustus. Es gehören dahin: 1.
Gleim, 2. Uz, 3. Götz, 4. Kleist, 5. Ramler,
6. Louise Karsch (Karschin), 7. Willamov,
und später 8. G. Jacobi, 9. Tiedge. Auch
Lessing und Weiße hatten diese Richtung.