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Vor dem schlichten Tempelbau befindet sich ein Rasenplatz, den
Rosen, Vergißmeinnicht und Immergrün schmücken. Vier rote
Marmorsäulen tragen das Giebelfeld mit der Inschrift aIo, d. h.
Jesus Christus ist der Ansang und das Ende, der Erste und der Letzte.
Einige Marmorstufen führen zu einer Flügeltür aus getriebener
Bronze. Wir treten in die Vorhalle.
2. Dem milden Mondscheine gleich fällt blaues Dämmerlicht
aus der Kuppelwölbung in die Halle. Als stummer Wächter der
Gruft steht in kriegerischer Gewandung die mächtige Gestalt eines
geflügelten Erzengels da. Er stützt sich als Streiter für Recht, Ehre
und Wahrheit auf das gewaltige Flammenschwert. Stolz und ernst
erhebt er das schöne Haupt, unter dessen Helm das Haar hernieder¬
wallt. Es schwebt etwas Heiliges, Feierliches, Unnahbares um ihn.
Vier grün und weiß geäderte Marmorsäulen trennen die Vor¬
halle von dem Raume, in dem sich die vier Sarkophage63 mit den
lebensgroßen Marmorbildern der fürstlichen Paare befinden. Den
Abschluß bildet im Hintergründe ein Altar, umschlossen von einer
Nische. Ein schönes Altarbild zeigt auf goldenem Grunde Friedrich
Wilhelm III. und Luise, dem thronenden, segnenden Heiland ihre
Kronen überreichend. Von den Wänden leuchten goldene Bibel¬
sprüche; der Boden ist mit schwarzem und weißem Marmor getäfelt.
3. Wie eine friedlich Schlummernde ruht dort im Marmorbilde
„Preußens guter Engel", die Königin Luise. Sie ist in ein langes
Gewand gehüllt; auf der Stirn trügt sie das Diadem. Der Kopf ist
leicht geneigt; die Arme sind über der Brust gekreuzt. Stiller Friede
spricht aus ihren schönen Zügen. Auf der Steinplatte neben dem
Sarkophag steht das Wort: „Wie der Herr es gewollt, also ist es
geschehen."
Reben ihr ruht Friedrich Wilhelm III. im schlichten Soldaten¬
mantel. Sein Wahlspruch lautet: „Meine Zeit in Unruhe, meine
Hoffnung in Gott." Reben den beiden Sarkophagen an den Kopf¬
enden stehen zwei kunstvolle Leuchter, der des Lebens und der des
Todes. Die Züge des königlichen Paares sind vom Bildhauer Rauch
getreu wiedergegeben.
4. Schwer war die Aufgabe des Bildhauers Encke, ähnlich Voll¬
kommenes in den Sarkophagen des ersten kaiserlichen Paares zu
schaffen. Aber auch er hat seine Aufgabe in meisterhafter Weise gelöst.
In der Uniform des 1. Garderegiments zu Fuß ruht auf dem
von Lorbeer umgebenen Bahrtuch entblößten Hauptes das Marmor¬
bild Kaiser Wilhelms I.; die Hände sind über dem Griffe des lorbeer¬
umwundenen Reichsschwertes gefaltet, die Gestalt wird vom Her¬
melinmantel bedeckt. Seine Züge zeigen Schlichtheit, Herzensgüte
Heider und Nohl, Deutsches Lesebuch für Mittelschulen. II. Teil. 17