still, daß einer seinen Atem Horen konnte, und endlich kam er zu dem
Turm und öffnete die Tür zu der kleinen Stube, in welcher Dornröschen
schlief. Da lag es und war so schön, daß er die Augen nicht abwenden
konnte, und er bückte sich und gab ihm einen Kuß. Wie er es mit dem Kuß
berührt hatte, schlug Dornröschen die Augen aus, erwachte und blickte ihn
ganz freundlich an. Da gingen sie zusammen herab, und der König
erwachte und die Königin und der ganze Hofstaat und sahen einander
mit großen Augen an. Und die Pferde im Hof standen ans und rüttelten
sich; die Jagdhunde sprangen und wedelten; die Tauben auf dem Dach
zogen das Köpfchen unterm Flügel hervor, sahen umher und flogen ins
Feld; die Fliegen an den Wänden krochen weiter; das Feuer in der
Küche erhob sich, flackerte und kochte das Essen; der Braten fing wieder
an zu brutzeln, und der Koch gab dem Jungen eine Ohrfeige, daß er
schrie, und die Magd rupfte das Huhn fertig. Und da wurde die
Hochzeit des Königssohns mit dem Dornröschen in aller Pracht gefeiert,
und sie lebten vergnügt bis an ihr Ende.
161. Olilckcken deck" dich, 6oldeTel und Knüppel aus
dem Sack. Von den Brüdern 0rimm.
Kinder- und Hausmärchen. Originalausgabe. 32. Ausl., besorgt vonReinhold Steig.
Stuttgart und Berlin 1906. 8. 119.
1.
orgeiten war ein Schneider, der drei Söhne hatte und
nur eine einzige Ziege. Aber die Ziege, weil sie alle
zusammen mit ihrer Milch ernährte, mußte ihr gutes
Futter haben und täglich hinaus auf die Weide geführt
werden. Die Söhne taten das auch nach der Reihe.
Einmal brachte sie der älteste auf den Kirchhof, wo die
schönsten Kräuter standen, ließ sie da fressen und herumspringen. Abends,
als es Zeit war, heimzugehen, fragte er: „Ziege, bist du satt?" Die
Ziege antwortete:
„Ich bin so satt,
ich mag kein Blatt; meh, meh!"
„So komm nach Haus!" sprach der Junge, faßte sie am Strickchen,
führte sie in den Stall und band sie fest. „Nun," sagte der alte
Schneider, „hat die Ziege ihr gehöriges Futter?" „O," antwortete der
Sohn, „die ist so satt, sie mag kein Blatt." Der Vater aber wollte sich
selbst überzeugen, ging hinab in den Stall, streichelte das liebe Tier und
fragte: „Ziege, bist du auch satt?" Die Ziege antwortete: