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Haushaltung. So lebten wir nebeneinander hin, und die Jahre vergingen.
Ehrenfried hatte wohl einmal den Wunsch geäußert, einen eignen ftram
zu beginnen; aber er sprach das nur so hin, als sei es für Leute seines
Schlages doch nicht zu erschwingen; denn er war fast ohne Mittel. Die
Zinsen seines kleinen Vermögens und ein gut Teil seines Verdienstes gab
er einer ältern kränklichen Schwester. Das habe ich aber erst späterhin
von ihm erfahren. — Ich hatte schon einige dreißig Jahre hinter mir,
und Ehrenfried mochte nah an die vierzig sein, da starb die Schwester, und
er begann nun wohl mit Ernst auch an sich selbst zu denken."
2. Die Alte warf einen liebevollen Blick aus das Bildchen in dem
Immortellenkranz. „Sie wissen, Herr Lehrer," sagte sie dann, „der Herr
Senator hat einen Speicher in der kleinen Straße, die nach der Marsch
hinuntergeht; dahinter ist ein großer Gemüsegarten, woraus für Winter
und Sommer das ganze Haus versorgt wird. Eines Vormittags hatte
die Frau Senatorin mich hingeschickt, um etwas Kraut zur Suppe zu
schneiden. Es war just am heiligen Pfingsttage — so was vergißt sich
nicht, Herr Lehrer —, man konnte über die niedrigen Stachelbeerzäune
weithin auf die Nachbargärten sehen, wo die Leute in ihrem Sonntags¬
zeug zwischen den Beeten umhergingen; denn es lag alles im klarsten
Sonnenschein. Der blaue Flieder duftete, der überall an den Steigen
wuchs, und drunten von der Marsch hörte man die Lerchen singen. Ich
hatte am Morgen einen liebreichen Brief von meinem Bruder erhalten,
der seit Iahren mit Hilfe des Herrn Senators im Hannöverschen ein
Kommissionsgeschäft errichtet hatte; es ging ihm wohl; er hatte Frau
und Kind; aber er vergaß auch seine Schwester nicht. Die blaue Früh-
lingsluft war nicht heitrer als mein Gemüt dazumalen. So in Ge¬
danken ging ich den breiten Steig hinab; als ich aber bei dem großen
Holunderbusch um die Ecke biege — denn der Garten liegt hier im Winkel
— sehe ich Ehrenfried im braunen Sonntagsrock und, mit der langen Pfeife
zwischen den Spargelbeeten stehen. Er pflegte an Sonn- und Festtagen
wohl ein wenig in der Gärtnerei zu hantieren. „Es gibt nicht viel, Mamsell
Meta," rief er mir zu, „die Beete sind zu alt. — IG ja, das Alter!"
setzte er wie mit sich selber sprechend hinzu; dann legte er die Hand mit
der Pfeife auf den Rücken und begann wieder mit seinem Messer die
Oberfläche des Beetes zu untersuchen. Da ich ebenfalls ein Messer in
der Hand hatte, so trat ich in die andre Seite des Beetes. „Ich
will Ihnen helfen, Herr Ehrenfried," sagte ich, „vier Augen sehen mehr
als zwei," und zugleich hatte ich schon einen schönen weißen Spargel auf
einer Seite bloßgelegt. Ehrenfried sah eine Weile zu mir hinüber. „Das
ist richtig, Mamsell Meta!" sagte er dann, indem er sorgfältig den Spar¬
gel aus der Erde hob. Wir gingen sorgfältig an diesem und noch zwei
andern Beeten auf und ab, aber die Ernte war nur spärlich.No full text available for this image
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