strasje wohl ein. Als aber Oberlin ihnen zumuteète, auch hierfür selbst
Sorge zu tragen, meinten sie, daßz ein solches Unternehmen doch über
ihre Kräfte hinausginge. Da nahm der Pfarrer eines Morgens Spaten
und Pickelhaue zur Hand, ging in Begleitung seines einzigen Dieners
hinaus und begann zu arbeéeiten, und siehe, das Beispiel des DPfarrers
wirkte, viele Bauern ergriffen ihr Arbeitszeug, Schaufel, Hacke, Brech-—
oisen, und folgten ihm. Jeder ward an einem bestimmten Platz ange—
stellt; für sich selbst nahm Oberlin die beschwerlichste Arbeit in An-—
spruch. So ward geschaufelt und gegraben bis gegen Mittag und dann
nach einer kurzen Pause wieder weiter bis zum Abend. Am folgenden
Tage war das Arbeéiterhäuflein schon gewachsen, und bald stellten sich
ihrer so viele, dass Oberlin schon neue Werkzeuge aus Strabßhurg be—
schaffen mußßzte. Nach éinigen Monaten z0g sich über den sonst unzu—
gänglichen Felsboden eine bequeme Fabrstraßze; ja selbst eine feste
Brücke ward über die Breusch gebaut, von der sich der Name der Liebes—
brücke auch auf die später an ihrer Stelle neuerbaute übertragen hat.
Nunmehr konnten die Bauern ihre Landeserzeugnisse in andre Gegenden
zum Verkauf ausführen, und die Kartoffel des Steintals ward auf dem
StraßßBbburger Markte besonders gern gekauft.
8. Wieé or aus dem Saatkorn auf dürrem Boden Früchte zu ziehen
gewusöt, 50 verstand es Oberlin auch, edlere Triebe in der Menschen
Herzen zu pflanzen und für die geistige und sittliche Hebung seiner
Pfarrkinder Sorge zu tragen. Er überwachte den Unterricht, veranlaßte
die Anstellung guter Lehrer und nahm nicht eher ein neues Pfarrhaus
an, als bis alle Dörfer seiner Pfarrgemeinde mit neuen, guten Schul-
häusern versehen waren. Er wendete auch den Kleinsssten seine Für—
sorge zu und sorgteé, daßß die noch nicht für die Schule reifen Linder,
wenn die Eltern durch die Feldarbeit oder durch häusliche Geschäfte in
Anspruch genommen waren, Beaufsichtigung und Anleitung zum ersten
Unterrichte fanden, wobei ihm seine treue Dienstmagd, Luise Schäppler.
als Helferin zur deite stand.
In manchem stillen Läebesdienste bei Kranken und Unglücklichen
fand Oberlin die beste Stütze in seiner treuen Lebensgefährtin, Magda-
lene Salome Witter, der „Mutter des Stéeintals“, mit der er sich ein
Jahr nach dem Antritt seines Berufs vorbunden hatte und in glücklich-
ster Ehe lebte.
9. Durch beinahe zwei Menschenalter wirkte Oberlin mit unab—
lässigem Eifer als treuster Seelsorger seiner Gemeinde. Sein langes,
glatt gestrichnes Haar war schnéeweißß geworden, und auf seinem
Antlitze lag die stille Verklärung, welche der Friede des Gewissens, das
Bewubtsein eines gottbefreundeten Gemütes im hohen Alter den Zügen
geben. Da war unter seinen Pfarrkindern wohl Keins, das sich nicht