hatten auch schon freundliche Leute ihre Not gesehen. Der Besitzer eines
Gartens, dessen hohe Mauer an dieser Stelle die Straße begrenzte, stand
auf dem breiten Mauerrand und betrachtete das Menschengewühl zu seinen
Füßen. Er hatte die Knaben bemerkt, ihr vergebliches Bemühen, aus
der Enge herauszukommen, beobachtet und wollte ihnen Helsen. Als er
nun den Untenstehenden zurief: „Heben Sie mir doch einmal die Knaben
herauf!" waren sofort kräftige Arme bereit, und ehe sich's die Knaben
versahen, wurden sie, einer nach dem andern, herausgehoben aus der
Enge hinauf ans die freie, luftige Gartenmauer. Der Besitzer forderte sie
auf, sich in einer Reihe aus der breiten Malier niederzusetzen, und sagte
ihllen noch, sie sollten sich vor dem Hinunterfallen hüten und, wenn sie
alles gesehen hätten, durch seinen Garten auf die Straße gehen. Unsere
Jungen versprachen alles mit den vergnügtesten Gesichtern von der Welt,
machten sich's bequem auf der Mauer, ließen die Beine nach der Straße
hinunterhängen und betrachteten sich das buntbewegte Bild, das sich vor
ihnen ausbreitete.
War das ein herrlicher Platz! Von hier aus konnten sie die ganze
Kreuzbergstraße überschauen: die sich hin- und herschiebenden Menschen¬
massen, die mit Fahnen geschmückten Häuser und die mit Schaulustigen
dicht besetzten Fenster.
Unterdessen war es elf Uhr geworden. Häufig ritten Ordonnanzen und
Schutzleute die Straße entlang, und plötzlich ging ein Gemurmel durch
die Menge. „Sie kommen! Sie kommen!" rief man sich zu. Und wirk¬
lich, die Kreuzbergstraße herab kam eine glänzende Reiterschar. Voran
ritten Schutzleute, dann kamen die Gardekürassiere mit ihren glänzenden
Adlerhelmen und Brnstharnischen. Ihnen folgte eine Reihe hoher Offi¬
ziere. Und nun mußte auch der Kaiser kommen; denn vom oberen Teile
der Straße hörte man laute Hochrufe herabschallen. Dort wurden auch
schon Mützen und Hüte geschwenkt.
Jetzt kam der Kaiser. Von vielen Fürstlichkeiten und Offizieren um¬
geben, ritt er der Fahnenkompagnie voran. Unsere Jungen erkannten ihn
sofort; denn jeder hatte ihn schon einmal unter den „Linden" vorbeifahren
sehen; noch niemals aber hatten sie ihn so lange Zeit und so genau an¬
schauen können. Sie schwenkten ihre Mützen und riefen über die Kopse
der Menschenmenge hinweg dem Kaiser ihr Hurra! entgegen. Und nun
geschah etwas, was unsere Jungen ihr Leben lang nicht vergessen werden.
Als nämlich der Kaiser in die Nähe der Gartenmauer kam, schaute er
hinüber und sah sich die Reihe der Schuljungen an. Er hörte ihr
begeistertes Hurra und sah ihr Mützenschwenken. Lachend sagte er etwas